Verfahrensgang
AG Berlin-Neukölln (Urteil vom 30.01.2001; Aktenzeichen 8 C 531/00) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 30. Januar 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln – 8 C 531/00 – wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil abgeändert und die Klage auch im übrigen abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthaften (§ 511 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer (§ 511a ZPO) erreichenden, form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen (§ 516, 518, 519 ZPO) sind zulässig.
II.
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg, während die Berufung der Beklagten begründet ist.
1. Die Berufung der Kläger gegen das angefochtene Urteil, mit der sie sich gegen die Abweisung der Betriebskostenforderung für 1997 wegen Verwirkung wenden, ist unbegründet, weil ihnen kein Anspruch auf Betriebskosten zusteht. Denn die Beklagten haben gegen die Kläger einen Anspruch auf Freistellung von den Betriebskosten, da die Vorschüsse mit 9,50 DM monatlich für die ca. 101 qm große Wohnung erheblich zu niedrig angesetzt worden sind. Zwar ist grundsätzlich zu unerheblich, ob die Vorschüsse die tatsächlich angefallenen Betriebskosten decken (OLG Stuttgart NJW 1982, 2506). Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Vermieter bewusst unrichtige Angaben über die Höhe des Betriebskostenvorschusses macht (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 4. Aufl. Rn. 2024; Lammel, Wohnraummietrecht, § 4 MHG Rn. 114; Urteil der Kammer vom 23.3.1999 – 64 S 331/98 – GE 1999, 907). Denn darin liegt eine bewusste Täuschung, die sowohl zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigt, aber auch einen Schadensersatzanspruch rechtfertigt (Palandt/Heinrichs, 55. Aufl., § 276 BGB Rn. 78). Von einer bewusst unrichtigen Angabe über die Angemessenheit des Betriebskostenvorschusses ist hier auszugehen. Der Mietvertrag ist seitens der Kläger von einer versierten Hausverwaltung abgeschlossen worden, deren Verschulden sich die Kläger zurechnen lassen müssen (§ 278 BGB). Die Beklagten sind türkische Staatsangehörige, die der deutschen Sprache damals noch nicht hinreichend mächtig waren.
Die Kläger haben auch nicht dargelegt, dass die Beklagten hinreichende Kenntnisse über die durchschnittlichen Betriebskosten für eine derartige Wohnung hatten. Nach dem Berliner Mietspiegel 1994 lagen die durchschnittlichen Betriebskosten zwischen 1,43 DM und 2,67 DM pro qm, während für die 101 qm große Wohnung ein Betriebskostenvorschuss von (9,50 DM: 101 qm =) 0,09 DM/qm vereinbart wurde, also nur rd. 1/16 der niedrigsten durchschnittlichen Betriebskosten. Daher betrugen die Nachzahlungsforderungen für 1997 4.965,86 DM und für 1998 3.940,63 DM, die nach der Erfahrung der ständig mit Wohnraummietsachen beschäftigten Kammer weit über den sonstigen Nachforderungen liegen. Angesichts dieser Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass die für die Kläger tätige Hausverwaltung die Beklagten bewusst über die Angemessenheit der Vorschüsse getäuscht und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat. Der Schaden der Beklagten, die mit ungerechtfertigten Nachforderungen in Anspruch genommen werden, scheitert auch nicht daran, dass sie nicht dargelegt haben, dass sie entsprechende Mieträume hätten anmieten können, die unter Einschluss der Betriebskosten billiger gewesen wären. Denn dafür waren sie nicht darlegungspflichtig, da sie in ihrem Vertrauen auf die Angemessenheit der Vorschüsse zumindest unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Umstände zu schützen waren. Die Kläger hätten vielmehr darlegen müssen, dass die Beklagten nach Aufklärung über die viel zu geringen Vorschüsse die Wohnung in Kenntnis des Risikos, erhebliche Nachzahlungen leisten zu müssen, trotzdem gemietet hätten.
2. Da die Kläger verpflichtet sind, die Beklagten von sämtlichen Betriebskosten freizustellen, hat die Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die Verurteilung zu der Betriebskostennachforderung für 1998 wenden, in vollem Umfang Erfolg.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Kinne, Groth, Dr. Knaak
Fundstellen
Haufe-Index 1058329 |
NZM 2002, 212 |
ZMR 2002, 52 |
RdW 2002, 319 |
IWR 2002, 72 |