Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 04.06.2020; Aktenzeichen 72 C 73/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 4.6.2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10% leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 80.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage gegen den am 30.9.2019 zu Top 2 gefassten Beschluss und beantragt Feststellung, dass der zwischen der Klägerin und der Wohnungseigentümergemeinschaft geschlossene Verwaltervertrag weiterhin fortbesteht und nicht durch Kündigung beendet ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten die Klageabweisung weiter.
Die Beklagten beantragen,
das am 4.6.2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht der Klage vollumfänglich statt gegeben.
Top 2 der Eigentümerversammlung vom 30.9.2019 ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nichtig.
Beschlüsse sind wie Grundbucheintragungen auszulegen. Denn sie wirken auch ohne Eintragung in das Grundbuch wie Grundbucherklärungen für und gegen die Rechtsnachfolger (§ 10 Abs. 4 WEG). Es besteht daher wie bei der GemO ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Die Beschlüsse sind deshalb „aus sich heraus” – objektiv und normativ – auszulegen. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlussinhalts, wie zB die abweichende Feststellung des Versammlungsleiters und der von ihm mündlich abweichend verkündete Inhalt des Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, zBsp. weil sie sich aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll ergeben. Der Beschluss muss für eine objektive Auslegung inhaltlich bestimmt und klar sein, anderenfalls ist er nichtig (vgl. Bärmann/Suilmann, WEG § 10 Rz. 187, 14. Aufl. 2018)
Insbesondere ergibt der Wortlaut des Satzes „Die Kündigung umfasst alle weiteren mit der … GmbH abgeschlossenen Verträge” im streitgegenständlichen Beschluss, dass es außer dem Verwaltervertrag noch mindestens zwei Verträge zwischen den Parteien gab, die gekündigt werden sollen. Die Beklagten legen den Beschluss nach Sinn und Zweck aus, wonach vorliegend nur der streitgegenständliche Baubetreuungsvertrag gemeint gewesen sein kann, da andere Verträge nicht geschlossen wurden, was sich aus der Beschlusssammlung ergäbe. Es sei ersichtlich der Wille der Wohnungseigentümer jegliche Geschäftsverbindung mit der Klägerin abzubrechen.
Diese Auslegung entspricht nicht den o.g. Grundsätzen einer normativ-objektiven Auslegung von Beschlüssen. Liest nämlich ein Dritter den streitgegenständlichen Beschluss, so muss er zu der Einsicht gelangen, das es a) mehrere Verträge gibt und b) diese gekündigt worden sind. Da es jedoch nur einen weiteren Vertrag gibt, ist der o.g. Satz sinnlos. Es ist auch nicht ohne weiteres an Hand der Beschlusssammlung erkennbar, dass hier nur ein weiterer Vertrag besteht. Vielmehr erfordert dies eine langwierige und akribische Durchsicht aller seit der Teilungserklärung im Jahre 1999 geschlossenen Verträge, mithin geht es hier um einen Zeitraum von 20 Jahren. Ohne weiteres erkennbar ist aus der Beschlusssammlung insoweit nicht, dass hier nur ein Vertrag vorliegt. Im Übrigen würde selbst wenn zu Gunsten der Beklagten angenommen werden würde, dass aus der Beschlusssammlung ohne weiteres erkennbar wäre, dass hier nur ein Vertrag vorliegt, dies voraussetzen, dass die Beschlusssammlung vollständig ist. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall. Findet also bspw. ein Sonderrechtsnachfolger nur den einen streitgegenständlichen Baubetreuungsvertrag in der Beschlusssammlung, so wird er auf Grund des streitgegenständlichen Beschlusses gezwungen sein, die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Auskunft über alle anderen Verträge in Anspruch zu nehmen, ggf. sie auf Auskunft darüber zu verklagen. Denn – entgegen der Auffassung der Beklagten – ist es nicht unerheblich, um welche Verträge es hier gehen soll, da sie ohnehin gekündigt wurden, vielmehr mus...