Normenkette
StGB § 186; GG Art. 1 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2; GG Art. 5 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß im Zusammenhang mit dem Kläger zu äußern oder zu verbreiten,
"Neue Akten aus der Birthler-Behörde legen den ... Verdacht nahe, O. habe in den 70er-Jahren der kommunistischen Terrorgruppe "Ralf Forster" angehört. Die Truppe, bestehend aus westdeutschen Kommunisten, wurde auf Betreiben der Stasi in der DDR im Verüben von Mordanschlägen trainiert. Seitdem dieser Verdacht bekannt ist, versuche ich, Herrn O. zu fragen, was er dazu sagt. Er war bis gestern nicht zu sprechen. Er hat bei Gericht eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, die die Vorwürfe zurückweist. Warum erklärt er sich nicht öffentlich?"...
Tatbestand
Die Beklagte ist Verlegerin der Tageszeitung "B ... ", in deren Ausgabe vom 24. April 2009 der nachfolgend in Fotokopie wiedergegebene Artikel erschien, der sich mit dem gegen den Kläger gerichteten Verdacht befasst, dieser habe als Mitglied der DKP einer vom MfS gebildeten und angeleiteten kommunistischen Terrorgruppe angehört.
Entscheidungsgründe
...
1.
Dem Kläger steht als Betroffenem der Berichterstattung .... gegen die Beklagte als Verlegerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
Es ist davon auszugehen, dass die angegriffene Berichterstattung ein falsches Bild abgibt und sich nicht in den Grenzen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung hält. Nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB trifft die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit der angegriffenen Äußerungen, weil diese geeignet sind, den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, und sich die Beklagte nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. Dass der Verdacht, der Kläger habe einer vom MfS gebildeten und angeleiteten kommunistischen Terrorgruppe angehört, zutreffe, will auch die Beklagte ...nicht behaupten.
Die angegriffene Berichterstattung bewegt sich nicht mehr in den Grenzen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung ist zunächst das Vorliegen eines Mindestbestands an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Dabei sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Unzulässig ist nach diesen Grundsätzen eine auf Sensation ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung; vielmehr müssen auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGH NJW2000, 10361 m. w. Nachw.).
Andererseits dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt und die Wahrheitspflicht nicht überspannt und insbesondere nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet. Dürfte die Presse, falls der Ruf einer Person gefährdet ist, nur solche Informationen verbreiten, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits mit Sicherheit feststeht, so könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgaben bei der öffentlichen Meinungsbildung nicht durchweg erfüllen, wobei auch zu beachten ist, dass ihre ohnehin begrenzten Mittel zur Ermittlung der Wahrheit durch den Zwang zu aktueller Berichterstattung verkürzt sind. Deshalb verdienen im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit regelmäßig die aktuelle Berichterstattung und mithin das Informationsinteresse jedenfalls dann den Vorrang, wenn die oben dargestellten Sorgfaltsanforderungen eingehalten sind. Stellt sich in einem solchen Fall später die Unwahrheit der Äußerung heraus, so ist diese als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen, so dass Unterlassung, Widerruf oder Schadensersatz nicht in Anspruch kommen (BGH NJW 2000, 1036, 1037 m. w. Nachw.).
Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Verdachtsberichterstattung unzulässig... . für den verlautbarten Vorwurf der Zughörigkeit zu einer Terrororganisation fehlt es jedoch an einem Mindestbestand an Beweistatsachen. Die im Beitrag für den Vorwurf aufgeführten Anhaltspunkte reichen nicht aus, um von einer gründlichen und sorgfältigen Recherche ausgehe...