Normenkette

BGB §§ 249, 254

 

Verfahrensgang

AG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 11.03.2011; Aktenzeichen 14 C 7/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 11.03.2011 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 185,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 82% und der Beklagten zu 18%, die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 80% und der Beklagten zu 20% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Der Kläger erlitt mit seinem damals 7 Jahre alten und nicht durchgehend scheckheft-gepflegten PKW Mercedes am 19.07.2010 einen vom Versicherungsnehmer der Beklagten allein zu vertretenden Verkehrsunfall.

Ein Privatgutachten vom 29.07.2010 ergab einen notwendigen Reparaturaufwand von netto 3.833,64 €. Die Kalkulation erfolgte auf der Basis der Preise von Vertragswerkstätten; ihre Korrektheit unter dieser Prämisse ist unstreitig.

Im September 2010 regulierte die Beklagte die Reparaturkosten in Höhe von 2.814,57 € und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28.09.2010 mit, dass er sein Fahrzeug gleichwertig, aber kostengünstiger als von seinem Gutachter veranschlagt, reparieren lassen könne. Dem Schreiben war ein Prüfbericht vom 10.08.2010 beigefügt, der die Reparaturmöglichkeit in 3 freien Karosserie-Werkstätten zu Preisen zwischen 2.814,57 € und 2.971,97 € darlegte.

Der Kläger ließ sein Fahrzeug im Oktober 2010 in einer anderen Werkstatt instand setzen.

Er nimmt die Beklagte auf volle Erstattung der mit Privatgutachten geschätzten Netto-Reparaturkosten in Anspruch und behauptet, allenfalls die Reparatur bei der Firma U, einem Eurogarant-Betrieb, hätte sich auf einem adäquaten Qualitätsniveau befinden können. Schon die Verweisung auf eine in einer anderen Stadt gelegenen Werkstatt sei ihm aber nicht zumutbar.

Die Beklagte wirft dem Kläger einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vor und behauptet, bei allen 3 Werkstätten handele es sich um zuverlässige, zertifizierte Meisterbetriebe, die die komplette Reparatur einschließlich Lackierung erledigen könnten. Die Firmen X und I böten überdies einen kostenlosen Hol- und Bring-Service.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und hierzu ausgeführt, der Geschädigte könne nur dann auf eine kostengünstigere Vergleichswerkstatt verwiesen werden, wenn ihm ein konkretes Reparaturangebot der betreffenden Werkstatt vorgelegt werde, denn häufig würden den Versicherungen von Vergleichswerkstätten Lohnverrechnungssätze angegeben, die dem Geschädigten tatsächlich nicht zur Verfügung stünden. Konkrete Reparaturangebote gebe es jedoch nicht. Lediglich die Verbringungs- und Entsorgungskosten seien nicht erstattungsfähig.

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Beklagten mit dem erstinstanzlichen Klageziel der Klageabweisung.

Der Kläger verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und trägt vor, er mache sich das Argument des Amtsgerichts zu eigen, dass Werkstätten gegenüber Versicherungen oft unrealistisch niedrige Stundensätze angäben.

II.

Die Berufung ist im Wesentlichen begründet.

Hat der Schädiger oder seine Versicherung den Geschädigten auf eine zumutbare günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" hingewiesen, deren Qualitätsstandard demjenigen einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, so kann er seiner Inanspruchnahme auf höhere Reparaturkosten den Einwand einer Verletzung der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB entgegen halten.

So auch hier.

Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war oder aufgrund seines besonderen Wartungs- und Instandsetzungstandards auch bei dieser Reparatur die Inanspruchnahnme einer Vertragswerkstatt rechtfertigte. Diese Voraussetzungen lagen nach den zutreffenden Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils nicht vor.

Grundsätzlich war es dem Kläger daher zumutbar, den Hinweis der Beklagten zu nutzen und die Reparatur in einem nicht markengebundenen Meisterbetrieb mit gutem Qualitätsstandard ausführen zu lassen.

Bedenken gegen den Qualitätsstandard der Karosseriewerkstatt U in H, eines Eurogarant-Betriebs, werden vom Kläger nicht erhoben. Sie sind der Kammer auch nicht ersichtlich. Nach unstreitiger Darlegung der Beklagten handelt es sich um einen seit Jahrzehnten bestehenden Meisterbetrieb, der eine überobligatorische Garantie von 2 Jahren gibt, die von ihm ausgeführten Reparaturen auf Wunsch des Kunden innerhalb eines Jahres ab Abnahme kostenlos kontrolliert, moderne Spezialwerkzeuge ...

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