Leitsatz (amtlich)
Ein Urteilstenor, welcher den Schuldner im Rahmen von Rückbaumaßnahmen verpflichtet, den „früheren Zustand” ohne nähere Beschreibung „wieder herzustellen”, ist unbestimmt und damit nicht vollstreckungsfähig.
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 30.07.2020; Aktenzeichen 304 C 1/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des AG Darmstadt vom 30.07.2020 wird der Beschluss abgeändert. Der Antrag des Gläubigers auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdegegner zu tragen.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 22.500 EUR
Tatbestand
I.
Durch antragsgemäß ergangenes – nicht rechtskräftiges – Versäumnisurteil ist der Schuldner verurteilt worden, „den Anbau/Überbau im Bereich des Gemeinschaftseigentums … zu beseitigen/zurückzubauen und den früheren Zustand wieder herzustellen”.
Auf Antrag des Gläubigers hat das Amtsgericht ihn zur Ersatzvornahme berechtigt und dem Schuldner einen Kostenvorschuss von 25.000 EUR auferlegt. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Beschwerde, mit der er die Bestimmtheit des Titels rügt und in Abrede nimmt, dass die vom Gläubiger im Rahmen der beabsichtigen Ersatzvornahme angekündigten Maßnahmen vom Titel erfasst seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch ansonsten zulässig (§§ 793, 567 ZPO), sie hat auch Erfolg.
Der Antrag auf Ersatzvornahme (§ 887 ZPO) war zurückzuweisen, denn das Versäumnisurteil ist nicht bestimmt genug und kann daher nicht Grundlage einer Vollstreckung sein (§ 704 ZPO). Zwar kann zur Auslegung eines Versäumnisurteils die Klageschrift herangezogen werden, das Prozessgericht als Vollstreckungsorgan kann auch sein Wissen aus dem Erkenntnisverfahren mit heranziehen (vgl. nur Musielak/Voit/Lackmann ZPO § 704 Rn. 6a mwN). Gleichwohl verbleiben vorliegend nicht behebbare Unklarheiten im Titel, die dazu führen, dass das Urteil, welches insoweit dem (unbestimmten) Klageantrag gefolgt ist, nicht vollstreckungsfähig ist.
Im Rahmen von Beseitigungsansprüchen muss zumindest der Erfolg so genau bezeichnet werden, dass eine Vollstreckung möglich ist (MüKoZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn. 140). Einen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels hat der Gläubiger nicht, gleichwohl muss der Erfolg, auf welchen der Gläubiger nach dem Titel einen Anspruch hat, eindeutig bezeichnet werden, anderenfalls müsste im Zwangsvollstreckungsverfahren geklärt werden, welchen bestimmten Erfolg der Schuldner mit den seiner Auswahl überlassenen Maßnahmen herbeiführen müsste. Diese Klärung gehört aber nicht ins Zwangsvollstreckungsverfahren (BGH NJW 1978, 1584). Vielmehr muss durch einen entsprechenden Tenor und zuvor durch einen entsprechenden Klageantrag die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren ermöglicht werden (vgl. nur BGH NJW 1999, 954). Hieran fehlt es im Streitfall.
Es verbleiben bereits Zweifel daran, welche Veränderungen den tenorierten „Anbau/Überbau” erfassen, nicht behebbar ist jedoch vor allem die Pflicht zur Wiederherstellung des „früheren Zustandes”. In der Klageschrift wird dem Beklagten vorgeworfen, Fenster entfernt zu haben, die Außenmauern erweitert und neue Mauern errichtet zu haben. Welche diese Maßnahmen in welchem Umfang unter die Rückbaupflicht fallen, lässt sich bereits nicht zweifelsfrei feststellen. Völlig offen bleibt jedoch der Zustand, welcher wieder herzustellen ist. Dieser ist auch aus der Klageschrift nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar, denn hierzu fehlt jeglicher Sachvortrag. An einer nachvollziehbaren Beschreibung des wieder herzustellenden Zustandes (dazu BGH NJW 1978, 1584; AG Charlottenburg ZMR 2020, 333; LG München I ZWE 2018, 131) fehlt es, wenn ohne nähere Konkretisierung lediglich eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangt wird (dazu Jennißen/Hogenschurz WEG § 22 Rn. 59). Denn damit wird unzulässigerweise die gesamte Prüfung, welcher Sollzustand durch die Maßnahmen des Schuldners erreicht werden muss, in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Insoweit werden die Anforderungen an den Klageantrag auch nicht überspannt, denn dem Kläger verbleibt die Möglichkeit durch Inbezugnahme von (Bau-)Plänen, Zeichnungen oder Fotos den gewünschten Sollzustand eindeutig zu beschreiben. Sollten dann gleichwohl – kleinere – Auslegungsschwierigkeiten verbleiben, können diese im Vollstreckungsverfahren behoben werden.
Nach alledem war auf die Beschwerde der angefochtene Beschluss abzuändern und der Antrag zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 91 ZPO. Gründe die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestehen nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 14989833 |
NJW 2021, 8 |
NJW-RR 2021, 128 |
WuM 2020, 814 |