Leitsatz (amtlich)

Auch nach der WEG-Reform können die Eigentümer Ansprüche auf Unterlassung von Videoaufzeichnungen und damit verbundene Schadensersatzansprüche individuell geltend machen.

 

Verfahrensgang

AG Idstein (Beschluss vom 13.02.2023; Aktenzeichen 3 C 195/22 (20))

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des AG Idstein vom 13.02.2023 abgeändert. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit der Klage begehrt die Klägerin eine Wohnungseigentümerin, von den Beklagten, anderen Wohnungseigentümern, sinngemäß u.a. die Unterlassung des Aufstellens von Kameras, mit denen der vor ihrer Wohnung befindliche Flur aufgenommen wird, zugleich begehrt sie die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Nachdem die Parteien sich verglichen und den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Amtsgericht die Kosten der Klägerin auferlegt, da es bereits an der Zulässigkeit der Klage gefehlt habe, denn die hier geltend gemachten Ansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums könne die Klägerin nicht mehr geltend machen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der diese begehrt, die Kosten des Rechtsstreites den Beklagten aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 91a, 269 Abs.5 Abs. 2, 569 ZPO statthaft und zulässig. Sie hat teilweise Erfolg.

In Folge der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) war nur noch über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

Voranzustellen ist, dass es nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO ist, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Grundlage der Entscheidung ist lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden (vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 422).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe erscheint eine Kostenaufhebung sachgerecht. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies bereits aus § 98 ZPO ergibt, nachdem die Parteien ausweislich des alleine maßgeblichen Protokolls bezüglich der Kosten nichts anderes vereinbart haben, denn auch in der Sache ist eine Kostenaufhebung sachgerecht.

Die Sach- und Rechtslage war keinesfalls geklärt, so dass der Ausgang des Prozesses unsicher war.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war keinesfalls sicher, dass die Klage unzulässig war. Zutreffend ist allerdings, dass nach dem insoweit maßgeblichen reformierten Wohnungseigentumsgesetz die Wohnungseigentümer Abwehransprüche aus § 1004 BGB bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums nicht mehr geltend machen können und der Abwehranspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bei der Gemeinschaft liegt (vgl. BGH ZWE 2022, 209; 256; NZM 2021, 717).

Um derartige Ansprüche geht es der Klägerin vorliegend bei einer sachgerechten Auslegung der Klageanträge allerdings nicht. Die Klägerin erstrebt mit der Klage eine Unterlassung der Aufnahme von Videos durch eine Überwachungsanlage, die den Eingangsbereich ihrer Wohnung betrifft, bzw. die Beseitigung eines derartigen Überwachungsdrucks durch die Beklagten. Der Kern der Ansprüche betrifft ausweislich der Klage das Unterlassen des Fertigens von Videos von ihr, welche sie beim Betreten und Verlassen der Wohnung und dem Aufenthalt im Flur zeigen. Derartige Ansprüche, die sich als deliktische Ansprüche aus § 823 BGB i.V.m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder aus der DS-GVO ergeben, sind keine Ansprüche die nach § 9a Abs. 2 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen sind. Denn diese Ansprüche ergeben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum und sind auch keine solchen, die ihre Rechtsgrundlage in dem Verhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft haben. Vielmehr sind dies Individualansprüche der durch die Aufnahmen Beeinträchtigten. Dass diese zugleich Wohnungseigentümer sind, führt nicht dazu, dass insoweit die GdWE diese Rechte geltend machen muss. Insoweit liegt auch primär keine Verletzung des Binnenrechtes vor, sondern nach dem insoweit für die Zulässigkeit maßgeblichen Vortrag der Klägerin wird diese in den ihr zustehenden individuellen Rechten durch die Beklagten beeinträchtigt.

Dass diese Beeinträchtigung aus dem Wohnungseigentum der Beklagten heraus erfolgt sein sollen, führt nicht dazu, dass die Klägerin diese Beeinträchtigung nicht selbst individuell abwehren kann. Insoweit handelt es sich auch nicht um eine mittelbare Folge einer primären Störung des Gemeinschaftseigentums (so im Falle des BGH ZWE 2022, 209). Der Abwehranspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist ein individueller Anspruch, welcher nur der Klägerin zusteht. Dabei spielt es auch keine Roll...

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