Verfahrensgang
AG Kassel (Urteil vom 28.02.2012; Aktenzeichen 423 C 1197/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 28. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Der Berufungsstreitwert wird auf 3.504,50 EUR festgesetzt
Tatbestand
I.
Der Kläger ist ehemaliges Mitglied der …. Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2006 verkaufte der Kläger die Wohnung Nr. 7, den Keller Nr. 7 und die Garage G 7 des Aufteilungsplans nebst Sondernutzungsrechten an die Beklagte.
Der Kaufvertrag enthielt unter Ziff. VI. Abs. 8 eine Vereinbarung, nach der sich der Käufer verpflichtete, unter gewissen Voraussetzungen eine vom Verkäufer gezahlte Sonderumlage an den Verkäufer auszuzahlen oder bei Auszahlung an den Verkäufer freizugeben. Unter Ziff. VI. Abs. 3 des Vertrages trafen die Parteien darüber hinaus eine Vereinbarung dahingehend, dass der Verkäufer versichert, dass ihm derzeit keine Umstände bekannt sind, die nach Lastenübergang zu einer den Käufer treffenden Sonderumlage führen könnten.
Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte aus Ziff. VI. Abs. 8 des notariellen Kaufvertrages auf Zahlung der 1.460,00 EUR in Anspruch. Widerklagend begehrt die Beklagte, den Kläger zu verurteilen an sie 2.044,50 EUR nebst Zinsen wegen Verstoßes gegen Ziff. VI. Abs. 3 des notariellen Kaufvertrages zu zahlen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zunächst Berufung beim Landgericht Kassel eingelegt. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden, dass es sich hier um eine Binnenstreitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG handeln könnte (Bl. 232 f. Band 1 d.A.), hat die Beklagte ihre Berufung vor dem Landgericht Kassel zurückgenommen und beim Landgericht Frankfurt am Main Berufung eingelegt.
Sie beantragt,
unter Abänderung das am 28.02.2012 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Kassel die Klage abzuweisen und den Kläger im Wege der Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 2.044,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, da das Landgericht Frankfurt am Main gem. § 72 Abs. 2 GVG für den Rechtsstreit nicht zuständig ist. Denn es handelt sich nicht um einen Rechtsstreit nach § 43 Nr. 1 WEG.
1. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist das Wohnungseigentumsgericht – ausschließlich – nur zur Entscheidung von Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander berufen (BGHZ 130, 164). Um eine derartige Streitigkeit handelt es sich im vorliegenden Fall ersichtlich nicht. Zwar ist § 43 Nr. 1 WEG grundsätzlich weit auszulegen, er erfasst allerdings lediglich gemeinschaftsbezogene Streitigkeiten der Wohnungseigentümer untereinander (vgl. Niedenführ § 43 Rn 53 m.w.N.). Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall, denn die Parteien waren nie gleichzeitig Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, vielmehr erwarb die Beklagte von dem Kläger sein Wohnungseigentum. Streitigkeiten aus dem Kaufvertrag über Wohnungseigentum stellen jedoch keine Streitigkeit der Wohnungseigentümer untereinander dar und sind daher auch nicht vom § 43 Nr. 1 WEG erfasst. Dass die Parteien sachlich um die Frage der Auswirkungen von Eigentümerbeschlüssen auf die Abreden in dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag streiten, macht die Sache nicht zu einer Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass wie die Beklagte nunmehr zutreffend ausführt, die Zuständigkeitszuweisung des § 43 WEG weit auszulegen ist, denn die Parteien streiten in der Sache gleichwohl um einen Kaufvertrag. Kaufrechtliche Fragen sind aber auch dann, wenn Gegenstand des Kaufvertrages eine Eigentumswohnung ist, keine Streitigkeiten im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG.
Handelt es sich jedoch nicht um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG ist das Landgericht Frankfurt am Main auch nicht gem. § 72 Abs. 2 GVG für das Berufungsverfahren zuständig.
Die andere Ansicht des Landgerichts Kassel ist vorliegend ohne Relevanz. Denn für die Zuständigkeit nach § 72 Abs. 2 GVG ist entscheidend, ob es sich materiellrechtlich um eine Wohnungseigentumssache nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG handelt oder nicht (vgl. BGH Grundeigentum 2011, 1317).
2. Dem von der Klägerin hilfsweise gestellten Antrag auf Verweisung an das Landgericht Kassel war nicht zu entsprechen.
Wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, kann eine Berufung fristwahrend nur bei dem zuständigen Berufungsgericht eingelegt werden. Vor diesem Hintergrund kann eine bei dem falschen Berufungsgericht eingelegte Berufung, die nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des richtigen Berufungsgerichts gelangt, grundsätzlich auch nicht in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an dieses Ger...