Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendungsbereich von § 24 Abs. 2 SchVG 2009
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 24 Abs. 2 SchVG 2009 ist wegen der Entstehungsgeschichte der Norm, der Systematik und eines Vertrauensschutzes für Altanleger § 24 Abs. 2 Satz 1 SchVG 2009 dahingehend auszulegen, dass diese Option für die Anwendung des Rechts des SchVG 2009 nur dann eröffnet ist, wenn es sich um eine vor dem 5. August 2009 begebene Schuldverschreibung handelt, die bei einem deutschen Emittenten bereits einer Mehrheitsentscheidung nach dem SchVG 1899 zugänglich war bzw. bei der Anleihe eines ausländische Emittenten, die nicht unter das SchVG 1899 fiel, eine derartige Mehrheitsentscheidungen bereits ausdrücklich in den Anleihebedingungen angesprochen war.
Normenkette
SchVG 2009 § 24 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.10.2011; Aktenzeichen 3-05 O 116/11) |
Tenor
Der Antrag gemäß § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i.V.m. § 246a Abs. 1 Satz 1 AktG festzustellen, dass die Erhebung der beim Landgericht Frankfurt am Main unter dem führenden Aktenzeichen 3-05 O 116/11 anhängigen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen der Antragsgegner gegen die Beschlüsse zu TOP 2, 3 und 4 der Gläubigerversammlung der Antragstellerin vom 25.10.2011 dem Vollzug dieser Beschlüsse nicht entgegensteht, und Mängel der Beschlüsse zu TOP 2, 3 und 4 die Wirkung des Vollzugs unberührt lassen, wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers; dieser hat seine Kosten selbst zu tragen.
Gründe
Die Antragstellerin ist eine nach niederländischem Recht gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Q SE.. Die Antragstellerin betreibt kein eigenes operatives Geschäft und beschäftigt keine Arbeitnehmer. Im Q-Konzern erfüllt sie lediglich die Funktion als Finanzierungsvehikel.
Die Q SE ist eine börsennotierte europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in B, Sachsen-Anhalt.. Das Angebot des Q-Konzerns reicht von Solarzellen über kristalline und Dünnschicht-Solarmodule bis hin zu kompletten Photovoltaik-Systemen im privaten und gewerblichen Bereich sowie im Kraftwerks-Maßstab. Die Q SE beschäftigt derzeit ca. 1.244 Mitarbeiter am Standort in Bitterfeld-Wolfen und ca. 2.431 im Q-Konzern weltweit.
Die Antragstellerin hat die Wandelschuldverschreibungen, deren Gläubiger auf der Gläubigerversammlung am 25. Oktober 2011 die im Streit befindlichen Beschlüsse gefasst haben, am 28. Februar 2007 ausgegeben; die Anleihe ist am 28. Februar 2012 zur vollständigen Rückzahlung endfällig. Diese Anleihe (im folgenden Anleihe 2012) hat einen Gesamtnennbetrag von EUR 492.500.000 bei einer Stückelung von EUR 100.000 je Schuldverschreibung. Nach einem im Jahr 2010 vollzogenen teilweisen Rückkauf von nominal EUR 290.800.000 durch die maltesische Q Malta Ltd., eine Tochtergesellschaft der Q SE, sind derzeit noch Schuldverschreibungen mit einem Nominalbetrag von insgesamt EUR 201.700.000 ausstehend. Die Anleihe 2012 wird an der Börse in Luxemburg sowie an verschiedenen deutschen Börsen, insbesondere in Frankfurt am Main, im Freiverkehr unter den Kennnummern ISIN DE xxx.
Die Gläubiger der Anleihe 2012 haben das Recht, ihren Rückzahlungsanspruch in Aktien der Q SE zu wandeln. Der Wandlungspreis für die Gläubiger beträgt -nach den Kapitalmaßnahmen der Q SE im Jahr 2010 - EUR 56,62. Für die Lieferung von Aktien ("Lieferaktien") dieser und anderer von der Antragstellerin bzw. der Q SE begebener Wandelschuldverschreibungen, den sof. Anleihen 2014 und Anleihen 2015 hat die Q SE ein bedingtes Kapital in Höhe von (derzeit) EUR 81.802.183,00 geschaffen (§ 4 Abs. 7 der Satzung). Angesichts des aktuellen Börsenkurses der Aktie der Q SE von unter EUR 0,60 im Januar 2012 ist das Wandlungsrecht für die Gläubiger jedoch wertlos. In den Anleihebedingungen ist ferner eine Aktienrückzahlungsoption vorgesehen ("Aktienrückzahlungsoption"). Danach kann die Q SE innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Endfälligkeit der Anleihe 2012 unter weiteren Voraussetzungen durch einseitige Erklärung und Bekanntmachung bestimmen, je Schuldverschreibung eine bestimmte Anzahl von Aktien (zum aktuellen Marktwert) zu liefern und die Differenz des Wertes der Aktien zum Nominalbetrag der Schuldverschreibungen in bar zu begleichen.
Zur Sicherung der Wandlungsrechte hat die Q SE in einer Verpflichtungserklärung vom 28. Februar 2007 gegenüber der Hauptzahlstelle, der C-bank N.A., zu Gunsten der Gläubiger gemäß § 328 Abs. 1 BGB jedem Gläubiger unwiderruflich das Recht gewährt, während des Ausübungszeitraums in Übereinstimmung mit den §§ 8 und 9 der Emissionsbedingungen Schuldverschreibungen in Lieferaktien zu wandeln und Ausgleichsbeträge für etwaig entstehende Bruchteile zu zahlen.
Die Antragstellerin hat die anlässlich der Emission der streitgegenständlichen Anleihe 2012 eingenommenen Beträge in Übereinstimmung mit den Anleihebedingungen vollständig im Wege eines...