Leitsatz (amtlich)
Es entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, dem Verwalter und dem Beirat Entlastung zu erteilen, wenn die von der Entlastung umfasste Abrechnung fehlerhaft ist. Denn das mit der Entlastung verbundene negative Schuldanerkenntnis steht dem bestehenden Anspruch, dass der Verwalter eine korrekte Abrechnung vorlegt und der Beirat diese prüft, entgegen.
Maßgeblich für die Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung ist der Zeitpunkt der Versammlung, daher ist es für den Erfolg der Anfechtung des Entlastungsbeschlusses ohne Relevanz, ob der Beschluss über die Abrechnung angefochten wurde.
Verfahrensgang
AG Offenbach (Urteil vom 18.06.2021; Aktenzeichen 320 C 98/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des AG Offenbach am Main vom 18.06.2021 abgeändert. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 23.09.2020 zu TOP 4 und TOP 5 werden für ungültig erklärt.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 1.500 EUR
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch über die Beschlüsse zur Entlastung des Verwalters und des Beirats aus der Versammlung vom 23.09.2020, sie stützen sich dabei, unter anderem darauf, dass in der an diesem Tag ebenfalls beschlossenen Jahresabrechnung eine Differenz von knapp 300 EUR bestanden habe. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, da die Jahresabrechnung nicht angefochten worden sei und wegen der übrigen Vorwürfe Ersatzansprüche der Gemeinschaft nicht erkennbar seien. Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter.
Im Übrigen wird von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
1. Der Beschluss über die Entlastung des Verwalters entsprach nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
Die Entlastung, die nach herrschender Auffassung neben der Billigung des Verwalterhandelns auch ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) beinhaltet (BGH ZMR 2011, 654; aA Jacoby in Staudinger, § 26 WEG Rz. 222; Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, § 28 WEG Rz. 377; in diese Richtung auch Greiner in BeckOGK, 1.1.2021, § 26 WEG Rz. 353 ff.), dass gegen den Verwalter keine Ansprüche mehr bestehen, entspricht nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Anhaltspunkte für einen Schadensersatzanspruch oder andere Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar sind (näher Bärmann/Becker § 28 Rn. 195; Jennißen/Zschieschack, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 27 WEG, Rn. 263 ff.).
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schließen Fehler bei der Jahresabrechnung die Entlastung aus, weil zumindest ein Anspruch auf Neuerstellung der Abrechnung besteht (BGH NJW 2010, 2654).
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes sind Einwände gegen die Jahresabrechnung im Zusammenhang mit der Anfechtung des Entlastungsbeschlusses im vorliegenden Fall nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beschluss über die Jahresabrechnung bestandskräftig geworden ist und selbst nicht angefochten worden ist. Nach gefestigter Rechtsprechung der Kammer ist maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, der Zeitpunkt der Eigentümerversammlung, zu welchem der Beschluss gefasst wird (Kammer ZWE 2020, 436). Denn Gegenstand der Anfechtungsklage ist die gerichtliche Überprüfung der Beschlussfassung durch die Eigentümer. Maßgeblich ist daher die Situation zum Zeitpunkt der Versammlung. Eine spätere Veränderung der Situation im Anfechtungsverfahren kann nicht dazu führen, dass ein ursprünglich rechtmäßiger Beschluss nachträglich rechtswidrig wird oder umgekehrt (Kammer aaO).
Kommt es insoweit auf die Sachlage in der Versammlung an, sind bei der Beschlussfassung über die Entlastung auch Fehler der Jahresabrechnung unabhängig von der Frage zu berücksichtigen, ob diese später in Bestandskraft erwachsen ist oder nicht, denn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Entlastungsbeschluss lag eine Bestandskraft jedenfalls nicht vor. Ist die Jahresabrechnung fehlerhaft, besteht jedenfalls zum Zeitpunkt der Versammlung, zu welchem der Beschluss über die Jahresabrechnung noch nicht bestandskräftig geworden ist, ein Anspruch auf Neuerstellung einer fehlerfreien Abrechnung, so dass die Entlastung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dass nach Ablauf der Anfechtungsfrist die Jahresabrechnung bestandskräftig wird und damit jedenfalls im Innenverhältnis der Einwand, die Abrechnung entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, nicht mehr erhoben werden kann, führt nicht dazu, dass ein zunächst ordnungswidriger Beschluss im Nachhinein rechtmäßig wird (vgl. Kammer ZWE 2020, 436).
Daher kann, ohne dass es auf den Inhalt der Jahresabrechnung ankäme, risikolos die Entlastung für das Wirtschaftsjahr erst dann beschlossen werden, wenn die Abrechnung bestandskrä...