Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorzeitige Kündigung der Rentenversicherung. Berechnung des Rückkaufswerts. Abzug der Abschlusskosten. Treuhänderverfahren. Kündigung vor Ersetzung intransparenter Vertragsklausel. Transparenz wegen Hinweis auf wirtschaftliche Nachteile. Keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers. Zillmer-Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine Rentenversicherung vorzeitig gekündigt, darf die Versicherungsgesellschaft bei der Berechnung des Rückkaufswerts die Abschlusskosten abziehen. wenn eine ursprünglich unwirksame, weil intransparente Klausel über die Berechnung des Rückkaufswerts im Wege des Treuhänderverfahrens gem. § 172 Abs. 2 VVG wirksam ersetzt worden ist. Das gilt auch dann, wenn der Versicherungsnehmer vor der Klauselersetzung gekündigt hat.
2. § 172 Abs. 2 VVG ist nicht nur auf Risiko-Versicherungen anwendbar, sondern auch auf Lebensversicherungen in Form einer Rentenversicherung.
3. Nach § 176 Abs. 3 VVG ist der Rückkaufswert nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu berechnen, dazu zählt das sog. Zillmerverfahren. Durch das Zillmern werden wesentliche Rechte oder Pflichten der Vertragspartner nicht beeinträchtigt.
Normenkette
BGB §§ 362, 306, 242; VVG § 172 Abs. 2, 1, § 176 Abs. 3; VAG §§ 5a, 10a, 65 Nr. 2; GG Art. 2 Abs. 1; AVB § 6 Abs. 3, § 15; AGBGB § 9 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hamburg (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen 21b C 282/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgericht Hamburg vom 03.12.2002, Az. 21b C 282/02, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte bei der Berechnung des Rückkaufswertes der Rentenversicherung, die die Klägerin bei der Beklagten unterhielt und vorzeitig kündigte, zum Abzug der Abschlusskosten berechtigt war.
Die Klägerin hatte ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe des Rückkaufswertes, wie er sich ohne Berücksichtigung der Verrechnung der Abschlusskosten für den Versicherungsvertrag mit der Nr. … zum 01.07.2002 ergeben hätte sowie die Beklagte nach Erteilung der Auskunft zu verurteilen, den sich aus Ziffer 1 ergebenden Betrag nebst 7 % (gezogene Nutzungen) seit 01.07.2002 zu zahlen.
Zuletzt hat die Klägerin erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass der Auskunftsanspruch in der Hauptsache erledigt ist sowie die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.382,61 zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2002.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch das der Klägerin am 10.01.2003 zugestellte Urteil vom 03.12.2002, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Hamburg die Klage vollen Umfangs abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, die zunächst unwirksamen Bedingungen der AVB der Beklagten über die Verrechnung der Abschlusskosten auf die zuerst eingezahlten Versicherungsprämien seien mit Durchführung des Klauselersetzungsverfahrens gemäß § 172 Abs. 2 VVG wirksam ersetzt worden. An der Durchführung des Klauselersetzungsverfahrens sei die Beklagte nicht dadurch gehindert gewesen, dass die Klägerin den Versicherungsvertrag vor Wirksamwerden der neuen Klauseln gekündigt habe. Denn zum einen habe die Klägerin erst nach Zugang des Änderungsschreibens gekündigt und zum anderen sei die Ersetzung bereits am 20.05.2002 wirksam geworden, während der Versicherungsvertrag erst zum 01.07.2002 geendet habe. Der Widerspruch der Klägerin zu den geänderten Bedingungen sei unerheblich, da § 172 VVG ein Widerspruchsrecht nicht vorsehe. Die geänderten Bedingungen seien hinreichend transparent und erfüllten die Anforderungen des Bundesgerichtshofs.
Mit der am 29.01.2003 eingegangenen und mit am 19.02.2003 eingegangenen Schriftsatz begründeter Berufung verfolgt die Klägerin ihre Anträge im Wesentlichen weiter. Ihr stünde gegen die Beklagte eine Restforderung in Höhe von EUR 1.200,75 zu. Eine wirksame Klauselersetzung gemäß § 172 VVG habe schon deshalb nicht erfolgen können, da § 172 Abs. 2 VVG im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar sei. Dieser diene dem Schutz der Versicherten in bestimmten Hochrisiko-Versicherungen, wie sich aus § 172 Abs. 1 VVG ergebe. In der Kapitallebensversicherung und in der Rentenversicherung gehe es aber nicht um Risikoschutz, sondern um Ansammlung und Rückzahlung von Geld. Darüber hinaus sei § 172 Abs. 2 VVG im Hinblick auf die Vertragsfreiheit höchstens im Fall der Unangemessenheit einer Klausel mit dem geltenden Recht vereinbar, da dann der Versicherte den Inhalt der Klausel wenigstens in seinen Erwägungen für und wider den Vertragsschluss h...