Leitsatz (amtlich)
Schmerzensgeldansprüche wegen vorgeblich nicht indizierter und nicht eingewilligter Extraktion von Zähnen
Tenor
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, letzterer soweit er nach Schluss der mündlichen Verhandlung entsteht, die der Klägerin aus der Extraktion des Zahnes 44 vom 24.10.2008 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, sofern der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder Dritten übergegangen ist.
3.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 229,55 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2009 zu zahlen.
4.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
5.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 90 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 10% zu tragen.
6.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schmerzensgeldansprüche wegen vorgeblich nicht indizierter und nicht eingewilligter Extraktion von zwölf Zähnen geltend.
Die am 26.07. ≪leer≫1964 geborene Klägerin wurde am 07.07.2008 von ihrem Hauszahnarzt zur konservierend-chirurgischen Sanierung in Narkose an die Beklagte zu 1) überwiesen. Auf der Überweisung war vermerkt, dass es sich bei der Klägerin um eine "extreme Angstpatientin !" handele und eine psychologische Betreuung erforderlich sei.
Am 17.07.2008 wurde die Klägerin bei der Beklagten zu 1) vorstellig. Es fanden verschiedene Voruntersuchungen in der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde und in der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik statt. Inwieweit dabei über die Extraktion von Zähnen gesprochen wurde und ob die Klägerin darin einwilligte, ist streitig. Der aufklärende Arzt Dr. Kerala K. ist zwischenzeitlich in sein Heimatland Syrien zurückgekehrt. Am 24.10.2008 wurde der streitgegenständliche Eingriff in Intubationsnarkose durchgeführt. Dabei wurden u.a. die Zähne 43, 42, 31, 16, 14, 11, 21 und 26 durch den Beklagten zu 2) in der chirurgischen Abteilung gezogen. Welche Zähne darüber hinaus gezogen wurden und ob die gezogenen Zähne erhaltungswürdig und vital waren, ist zwischen den Parteien streitig. Die Behandlungsunterlagen der chirurgischen Abteiling sind verlorengegangen.
Die Klägerin behauptet, ihr seien darüber hinaus die Zähne 44, 32, 24 und 28, somit insgesamt zwölf Zähne, gezogen worden. Diese seien alle erhaltungswürdig und vital gewesen, so dass die Extraktion grob fehlerhaft erfolgt sei. Aufgrund dieses Behandlungsfehlers benötige sie nun in erheblichen Umfang Zahnersatz.
Sie habe auch nie in eine Extraktion eingewilligt, sondern sei die ganze Zeit von einer konservierend-chirurgischen Sanierung, wie es auf dem Überweisungsträger gestanden habe, ausgegangen. Daher habe sie nach dem Aufwachen aus der Narkose völlig überraschend die Extraktion der zwölf Zähne festgestellt und einen schweren Schock erlitten.
Die Klägerin beantragt,
1.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 20.000 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 betragen sollte, zu zahlen.
2.
Festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, letzterer soweit er nach Schluss der mündlichen Verhandlung entsteht, die der Klägerin aus der Behandlung vom 24.10.2008 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, sofern der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder Dritten übergegangen ist.
3.
Die Beklagten zahlen an die Klägerin 1.023,16 Euro außergerichtlich entstandene Anwaltskosten zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten erwidern, es sei lediglich noch der Zahn 41 gezogen worden. Sämtliche gezogenen Zähne seien nicht nur nicht erhaltungswürdig, sondern nicht einmal erhaltungsfähig gewesen. Die Extraktion der Zähne sei angesichts ihres desolaten Zustandes und ihrer Nichterhaltungsfähigkeit erforderlich und indiziert gewesen. Selbst wenn die Zähne (fehlerhaft) nicht gezogen worden wären, hätte die Klägerin ihre Zähne auch prothetisch versorgen lassen müssen.
Die Klägerin sei auch am 17.07.2008 aufgeklärt worden, dass die Zähne 16, 14, 11, 21, 26, 43, 42, 41 und 31 nicht erhaltungsfähig seien und daher extrahiert werden müssten sowie dass weitere Extraktionen nach intraoperativem Entscheid (wenn nicht erhaltungsfähig) erfolgen könnten. Hierin habe die Klägerin eingewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
D...