Verfahrensgang

AG Niebüll (Urteil vom 21.03.2022; Aktenzeichen 18 C 21/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Niebüll vom 21.03.2022, Az. 18 C 21/20, abgeändert: Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.08.2020 zu Tagesordnungspunkt 5 nichtig ist.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streithelfer trägt die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 24.959,42 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anfechtungsklage gegen den Beschluss zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 20.08.2020.

Mit diesem Beschluss haben die Wohnungseigentümer über die Finanzierung durchgeführter Arbeiten im Sondereigentum der Klägerin und zur Sanierung der Dachterrasse der Wohnungseigentumseinheit Nr. 9 zulasten der Gemeinschaft aus der Instandhaltungsrücklage entschieden. Die Arbeiten waren infolge eines Wassereinbruchs in der teilweise unter der Dachterrasse gelegenen Wohnung in der Klägerin erforderlich. Die Wohnungseigentumseinheit 9 gehörte bis zu ihrer Weiterveräußerung den Beklagten zu 2 und 3.

In § 1 Ziff. 9 der Teilungserklärung ist das Wohnungseigentum der Beklagten zu 2 und 3 mit einem Balkon in der Größe von ca. 33,47 m² beschrieben.

In § 3 Ziff 1 b) der Teilungserklärung ist unter anderem geregelt, dass Einrichtungen und Anlagen, die sich außerhalb des Sondereigentums befinden, ebenfalls Gegenstand des Sondereigentums sind, soweit sie nicht dem gemeinschaftlichen Gebrauch, sondern nur dem Sondereigentum zu dienen bestimmt sind.

§ 6 Abs. 1 Ziff. 2 der Teilungserklärung bestimmt, dass Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (zum Beispiel Balkone, Terrassen, Veranden), von ihm auf seine Kosten instandzuhalten und instandzusetzen sind.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dabei unter Berufung auf BGH, Urteil vom 25. September 2009 – V ZR 33/09 –, darauf abgestellt, dass der Beschluss zwar gegen eine absolute Beschlussunzuständigkeit der Gemeinschaft ergangen ist, dies aber nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses führe, da keine Änderung der Teilungserklärung, sondern lediglich ein Einzelfall geregelt wurde.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und verfolgt ihr Anfechtungsbegehren weiter.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.08.2020 zu Tagesordnungspunkt 5 für ungültig zu erklären, bzw. hilfsweise dessen Nichtigkeit festzustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 2 und 3 haben ihre Wohnungseigentumseinheit an die Eheleute Sch. verkauft, die angezeigt haben, in den Rechtsstreit eintreten zu wollen. Die Klägerin hat einem Parteiwechsel ausdrücklich nicht zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie genügt den Erfordernissen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, in der Berufungsbegründung erfolgt die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, in ausreichendem Maß. Es ist zum Umfang der zur Überprüfung gestellten Fehler und der Kontrolle der Tatsachengrundlage trotz der Aufgliederung der Berufungsgründe in die Nummern 2-4 des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO beispielsweise ausreichend, einen materiellen Rechtsfehler zu rügen; der Berufungsführer kann dann später die Berufungsgründe auf formelle Fehler oder die Rüge der unzureichenden Tatsachengrundlage ausdehnen oder zulässige neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 520 Rn. 29).

Die Berufung ist auch begründet.

1. a) Für die materiell-rechtliche Beurteilung ist auf die Rechtslage des WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung abzustellen, da es sich bei dem vorliegenden Fall einer Beschlussanfechtungsklage um einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt handelt und eine Anwendung der seit dem 01.12.2020 geltenden Vorschriften des WEMoG zu einer unzulässigen Rückwirkung führen würde (vgl. zur Rechtslage bei der WEG-Reform zum 01.07.2007: BGH, Urt. v. 16.01.2009 – V ZR 74/08 – zitiert nach Juris).

b)

Die zunächst gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete Klage konnte wie geschehen nach ständiger, wenn auch umstrittener Rechtsprechung des BGH aufgrund eines im Wege der Auslegung anzunehmenden späteren Parteiwechsels gegen die übrigen Wohnungseigentü...

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