Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mieter vom Vermieter die Gestattung einer Parabolantenne an der Aussenfassade bei vorhandenem Kabelanschluss verlangen kann.

Bei der Abwägung der widerstreitenden, grundrechtlich geschützten Interessen von Mieter und Vermieter (GG Art 5 Abs 1, Art 14) sind seine Staatsangehörigkeit (hier: aus Kasachstan stammender Deutscher), vorhandene Kenntnisse der deutschen Sprache und die (hier erfolgte) Integration zu berücksichtigen.

 

Orientierungssatz

Das Interesse eines in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländers, durch Empfang der Programme seines Heimatlandes die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrechtzuerhalten und sich über das dortige Geschehen zu unterrichten, ist anzuerkennen (BVerfG, 9. Februar 1994, 1 BvR 1687/92, NJW 1994, 1147). Besteht die Möglichkeit, über einen vorhandenen Kabelanschluß mittels eines Decoders, dessen Anschaffungskosten deutlich unter denen des Erwerbs und der Installation einer Parabolantenne liegen, ein gebührenpflichtiges Vollprogramm des Heimatlands zu empfangen, kann das Informationsinteresse des Ausländers beim Vorliegen weiterer Umstände hinter dem Eigentumsinteresse des Vermieters zurücktreten.

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 27.03.2001 (AZ 4 C 73/00) wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Tatbestand

Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen ist zurückzuweisen. Das Amtsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Beseitigung der Parabolantenne am Gaubenfenster der vom Beklagten gemieteten Wohnung bejaht. Gemäß § 550 BGB kann der Vermieter vom Mieter verlangen, dass dieser es unterlässt, die Mietsache in vertragswidriger Weise zu gebrauchen. Der Anspruch umfasst auch das Recht, die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes zu fordern (Palandt, BGB (60. Auflage) § 550 RN 1).

1.) Der Beklagte hat durch die Anbringung der Parabolantenne am Gaubenfenster der von ihm gemieteten Wohnung im zweiten Obergeschoss des Anwesens der Klägerin in der H. Straße 82 in V. von der Mietsache in vertragswidriger Weise Gebrauch gemacht. Gemäß § 5 Ziffer 2 des Mietvertrages der Parteien vom 15.11.1995 sind die, auch vom Beklagten unterzeichnete, Hausordnung sowie die "Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB)" Bestandteil des Mietvertrages. Gemäß Ziffer 10 Abs. 2 der Hausordnung darf der Mieter Einzelantennen neben der vermieterseitig angebrachten gemeinschaftlichen Antennenanlage nur mit Genehmigung des Vermieters installieren. Ziffer 6 Absatz 1 f der AVB bestimmt darüber hinaus, dass der Mieter mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Mieter und im Interesse einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmers bedarf, wenn er Antennen anbringt oder verändert. Entgegen dieser vertraglichen Bestimmung hat der Beklagte eine Parabolantenne angebracht, obgleich eine Zustimmung der Klägerin als Vermieterin nicht vorlag und von dieser auch weiterhin verweigert wird.

2.) Der Klägerin ist es auch nicht gemäß § 242 BGB versagt, sich auf das Fehlen ihrer Zustimmung zu berufen, denn sie ist nicht verpflichtet, nachträglich die Zustimmung zu der eigenmächtig vom Beklagten angebrachten Parabolantenne zu erteilen.

a.) Ein Rechtsanspruch des Beklagten auf Anbringung einer Einzelantenne besteht im vorliegenden Fall nicht. Ein derartiger Anspruch ist nach der Rechtsprechung jedenfalls dann gegeben, wenn eine ausreichende Gemeinschaftsantenne nicht vorhanden ist (BayObLG, WuM 1981, 80; vgl. auch BVerfG NJW 1994, 1147, 1148 m. w. N.). Da die Wohnung des Beklagten, ebenso wie die übrigen Wohnungen im Haus der Klägerin, hingegen über einen Kabelanschluss verfügt, ist ein Rechtsanspruch des Beklagten auf Anbringung seiner Parabolantenne unter diesem Gesichtspunkt nicht begründet.

b.) Besteht hiernach kein Rechtsanspruch des Mieters auf Erteilung der Zustimmung des Vermieters, steht die Entscheidung darüber, ob die Einwilligung zur Anbringung einer Antenne erteilt wird oder nicht, im Ermessen des Vermieters. Dieses dem Vermieter zustehende Ermessen ist jedoch auch insoweit kein schrankenloses Ermessen, sondern steht unter dem Gebot des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Da die Wohnung für den Mieter Mittelpunkt seiner privaten Existenz ist und er auf ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse, zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen ist, darf der Vermieter nach Treu und Glauben nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter Einrichtungen versagen, die diesem das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestalten könnten, durch die er als Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt und durch die die Mietsache nicht verschlechtert wird (BayObLG, ...

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