Leitsatz (amtlich)
1. Der Beschluss einer Versorgungssperre ist zulässig nur nach vorheriger Abmahnung und bei einem gravierenden Leistungsrückstand, wovon regelmäßig auszugehen ist, wenn der Wohngeldrückstand sechs Monatsraten übersteigt. Dabei muss die Abmahnung lediglich dem Vollzug der Sperre vorausgehen, nicht schon einer nur vorbereitenden Beschlussfassung.
2. Die Versorgungssperre kann auch dann die Stromzufuhr erfassen, wenn der betroffene Miteigentümer zwar den Strom direkt von dem Stromversorgungsunternehmen bezieht und dieses auch ihm gegenüber direkt abrechnet, die Stromleitung, die zu der Sondereigentumseinheit des Miteigentümers führt, jedoch im Gemeinschaftseigentum steht.
3. Gebäudebestandteile stehen gemäß § 5 I WEG nur dann im Sondereigentum, wenn sie sowohl in einem funktionalen als auch in einem räumlichen Zusammenhang mit der Sondereigentumseinheit gemäß § 3 I WEG stehen und wenn ihre Veränderung, Beseitigung oder Entfernung allenfalls zu einer noch hinzunehmenden Beeinträchtigung führen würde.
4. Demnach steht eine Stromleitung, die von einem gemeinschaftlichen Zählerraum im Keller des gemeinschaftlichen Anwesens durch das Gebäude in eine Sondereigentumseinheit führt, auch dann nicht im Sondereigentum, wenn sie ausschließlich der Stromversorgung dieser Sondereigentumseinheit dient.
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 483 C 1621/09 WEG) |
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen samtverbindlich die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Beschluss, wonach eine Versorgungssperre bezüglich aller Versorgungsleitungen bezüglich der Sondereigentumseinheit des Klägers zu 3) durchzuführen sei, wenn mehr als sechs Wohngeldraten offen sind und die Maßnahme vier Wochen vorher durch eingeschriebenen Brief angedroht wird, zu Recht abgewiesen. Denn der Beschluss entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Auf die zutreffende, in jeder Hinsicht überzeugende Begründung im Urteil des Amtsgerichts wird Bezug genommen.
1. Rechtsgrundlage für die Versorgungssperre ist § 273 BGB (BGH NZM 2005, 626, 627; KG NZM 2001, 761, 762): Danach ist die Gemeinschaft grundsätzlich berechtigt, von ihr erbrachte Versorgungsleistungen zurückzubehalten, wenn der Kläger zu 3) seiner Verpflichtung zur Wohngeldzahlung nicht nachkommt.
2. Eine Abmahnung vor der Beschlussfassung war nicht erforderlich. Es reicht, dass in dem Beschluss vorgesehen ist, dass eine solche vier Wochen vor der tatsächlichen Verhängung der Versorgungssperre zu erfolgen hat. Die Abmahnung muss lediglich dem Vollzug der Sperre – nicht schon der einen solchen nur vorbereitenden Beschlussfassung – vorausgehen (BGH NZM 2005, 626, 627). Eine andere Sichtweise wäre, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht mehr als sinnlose Förmelei, weil dann letztlich zwei im Wesentlichen inhaltsgleiche Beschlüsse (Abmahnbeschluss, Durchführungsbeschluss) gefordert würden.
3. Der Beschluss ist auch verhältnismäßig. Die Versorgungssperre ist ein gravierender Einschnitt für den betroffenen Eigentümer. Sie ist daher nur bei einem erheblichen Leistungsrückstand zulässig. Ein solcher liegt jedoch regelmäßig – und auch hier – vor, wenn ein Wohngeldrückstand von sechs Monatsraten angehäuft wurde (BGH NZM 2005, 626, 627; Spielbauer/Then, WEG, § 15 Rz. 15).
4. Der Eigentümergemeinschaft war es entgegen der Meinung der Kläger auch möglich, die Sperre auch auf die Stromversorgung zu beziehen.
a) Zwar ist insoweit zu beachten, dass der Kläger zu 3) den Strom nicht über die Gemeinschaft, sondern direkt vom Stromversorger SWM bezieht und auch in diesem Verhältnis direkt – ohne Zwischenschaltung der WEG – abgerechnet wird. Die Sperre des Strombezugs ist so gesehen also grundsätzlich kein Zurückbehalten einer Leistung der WEG und kann somit insoweit nicht auf § 273 BGB gestützt werden (Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 196; Riecke, in: Riecke/Schmid, Anh zu § 13 Rz. 101).
b) Das bedeutet aber nicht, dass die Versorgungssperre diesbezüglich rechtswidrig wäre (vgl. Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 196: „regelmäßig”).
Denn möglich ist die Versorgungssperre, wenn und soweit die Stromlieferung über eine im Gemeinschaftseigentum stehende Leitungsanlage erfolgt (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 10 Rz. 273). Dann liegt nämlich eine Leistung der WEG darin, dass sie den Eigentümer...