Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 16 V WEG folgt, dass durch einen Beschluss nach § 16 III WEG auch von einem in der Teilungserklärung vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel abgewichen werden kann. Die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels bedarf aber eines sachlichen Grundes, um nicht gegen das Willkürverbot zu verstoßen.
2. Ein sachlicher Grund kann insbesondere darin liegen, dass den unterschiedlichen Gebrauchsmöglichkeiten für die Eigentümer Rechnung getragen wird. Bei der Ermittlung des daraus sich ergebenden Verteilungsmaßstabes ist allerdings auch eine etwaige Verkehrssicherungspflicht, die alle Eigentümer gleichermaßen trifft, zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
AG München (Urteil vom 29.04.2008; Aktenzeichen 481 C 514/07 WEG) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Kläger wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.423 EUR (2.223 EUR für die Berufung und 2.200 für die Anschlussberufung) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Beschlüsse 9/07 und 10/07, mit denen die Kosten für den Winterdienst betreffend den Wohnweg und den Bürgersteig vor dem Anwesen so verteilt werden, dass die vier Wohnungseigentümer der WEG je 22,5 % (insgesamt also 90 %), die fünf Nur-Stellplatzeigentümer je 2 % (insgesamt also 10 %) der Kosten tragen, für ungültig erklärt.
1. Allerdings ergibt sich vorliegend eine Beschlusskompetenz aus § 16 III WEG.
a) Die Kosten für den Winterdienst betreffend den Wohnweg bzw. den Bürgersteig vor dem Anwesen sind Betriebskosten im Sinne des § 16 III WEG, die das Gemeinschaftseigentum betreffen. Maßgeblich ist hierfür die Betriebskostenverordnung (BetrKV). Das ergibt sich aus dem Verweis des § 16 III WEG auf § 556 I BGB. Diese Norm verweist wiederum auf die BetrKV. § 2 Nr. 8 BetrKV nennt die Straßenreinigungskosten. Hierunter fallen auch die Kosten für den Winterdienst (Spielbauer/Then, WEG, § 16 Rz. 34).
b) Nicht Voraussetzung des § 16 III WEG ist es, dass die Betriebskosten nach Verbrauch oder Verursachung erfasst werden müssen (Bärmann/Becker, WEG, 10. Aufl., § 16 Rz. 91).
§ 16 III WEG regelt, in der Rechtsfolge, mehrere Beschlusskompetenzen: Die Betriebskosten bzw. Verwaltungskosten im Sinne der Norm können nach Verbrauch oder Verursachung erfasst werden; die Kosten können nach Verbrauch oder Verursachung verteilt werden; möglich ist es darüber hinaus auch, die Kosten nach einem anderen Maßstab, soweit dieser ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, umzulegen (Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/ Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., § 16 Rz. 39).
Die Möglichkeit, Betriebskosten nach Verbrauch oder Verursachung zu erfassen, ist demnach eine der Rechtsfolgen des § 16 III WEG, nicht Voraussetzung der Norm. Es wäre auch widersinnig, Kosten nach Verbrauch oder Verursachung erfassen zu müssen, wenn man diese Kosten gar nicht nach Verbrauch oder Verursachung, sondern nach einem „anderen Maßstab” im Sinne des § 16 III WEG verteilen will.
c) Einem Beschluss nach § 16 III WEG steht auch nicht der in § 4 I der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Kostenverteilungsschlüssel entgegen. Wegen § 16 V WEG kann durch einen Mehrheitsbeschluss nach § 16 III WEG von der Teilungserklärung abgewichen werden (Spielbauer/Then, WEG, § 16 Rz. 22). Das gilt auch dann, wenn die Teilungserklärung eine entsprechende Öffnungsklausel nicht vorsieht (Jennißen/Jennißen, WEG, § 16 Rz. 67). Eine Einschränkung, dass § 16 III WEG nur die Abänderung von sinnlosen oder unklaren Kostenverteilungsschlüsseln der Teilungserklärung gestatte, wäre mit § 16 V WEG nicht vereinbar.
2. Die Eigentümer hatten deshalb gemäß § 16 III WEG die Kompetenz, die Kostenverteilung für den Winterdienst betreffend den Wohnweg und den Bürgersteig abweichend von der Teilungserklärung zu beschließen. Sie mussten jedoch einen Maßstab wählen, der ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach. Daran fehlt es hier.
a) Grundsätzlich steht den Eigentümern, wie allgemein bei Verwaltungsmaßnahmen (BayObLG ZMR 2003, 951; OLG Düsseldorf NZM 1999, 766, 767; Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 23; Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 21 Rz. 28), ein Ermessenspielraum zu, der einer Überprüfung durch das Gericht weitgehend entzogen ist (Spielbauer/Then, WEG, § 16 Rz. 49; Bärmann/Becker, WEG, 10. Aufl., § 16 Rz. 95). Die Grenzen des Ermessens sind anhand aller Umstände des Einzelfalls zu bes...