Leitsatz (amtlich)
1. Die in der Krise der Insolvenzschuldnerin aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 187 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Lohnansprüche unterfallen nicht dem Aufrechnungsverbot des § 96 InsO.
2. Die Anträge der Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld sind integraler Bestandteil des öffentlich-rechtlich geregelten Schicksals von Lohnansprüchen im Fall der Arbeitgeberinsolvenz und keine der Anfechtung unterliegende Rechtshandlungen i.S.d. § 129 ff. InsO.
Normenkette
SGB III § 197 Abs. 3; InsO §§ 96, 129
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH von der Beklagten aus insgesamt 10 Verträgen über den Betrieb einer Personal-Service-Agentur die Zahlung von Fallpauschalen und Vermittlungsprämien.
Die nach Durchführung einer Ausschreibung im Juli und August 2003 geschlossenen Verträge sahen eine vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 37c SGB III vor. Die Insolvenzschuldnerin sollte für jeden Arbeitnehmer ein – degressiv gestaffeltes – Honorar von zunächst monatlich 1 200,00 EUR erhalten. Im Falle der Vermittlung sollte eine – ebenfalls je nach Zeit und der Vermittlung degressiv gestaffelte – Vermittlungsprämie gezahlt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Verträge wird auf Anlage K3 zur Klageschrift verwiesen.
Im Januar 2004 stellte die Insolvenzschuldnerin ihre Zahlungen, insbesondere auch die Leistung des Arbeitsentgeltes an die Leiharbeitnehmer, weitgehend ein. Am 16. Februar 2004 beantragte sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieses wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 1. Mai 2004 eröffnet.
Der Kläger begehrt für die Monate Januar und Februar 2004 die Zahlung von Fallpauschalen i.H.v. insgesamt 786 828,00 EUR. Außerdem macht er Vermittlungsprämien i.H.v. 76 908,00 EUR geltend.
Die Beklagte hat sich hinsichtlich der geforderten Fallpauschalen auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB berufen und dies mit der ausgebliebenen Lohnzahlung seitens der Insolvenzschuldnerin begründet. Außerdem hat sie die Hauptaufrechnung mit einer Forderung i.H.v. 988 928,16 EUR erklärt, und zwar zunächst gegen die Forderung aus Vermittlungsprämien in der Reihenfolge der Spezifizierung in der Klageschrift, danach gegen die Forderung auf Zahlung von Fallpauschalen, wiederum in der Reihenfolge der Spezifizierung in der Klageschrift. Insoweit ist unstreitig, dass die Beklagte für den Zeitraum Januar bis April 2004 an die Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin insgesamt Zahlungen in Höhe der genannten Summe erbracht hat.
Der Kläger ist der Ansicht, der Anspruch auf die Fallpauschalen sei in voller Höhe fällig. Der Umstand, dass im Januar und Februar kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt worden sei, begründe nicht die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, da die Entlohnung der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin nicht in einem Austauschverhältnis zu den geltend gemachten Fallpauschalen stehe. Eine in einzelnen Verhandlungsprotokollen enthaltene Klausel, dem Mieter sei bekannt, dass die Fallpauschale nicht gewährt werden könne, für volle Kalendermonate ohne Zahlung von Arbeitsentgelt (vgl. Anlage B4) sei jedenfalls nicht in dem konkret abgeschlossenen Vertrag eingeflossen. Auch nach dem gesetzlichen Leitbild des GSA-Vertrages in § 36c SGB III sei der Ausgleich der Lohnforderungen nicht Hauptleistungspflicht. Soweit die unterlassene Vergütung eine Nebenpflichtverletzung darstelle, könne hierauf in der Insolvenz ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht gestützt werden. Auch die Vermittlungsprämien seien in voller Höhe verdient. Insbesondere hindere die Vertragsbeendigung zum 16. Februar 2004 nicht die Geltendmachung der später entstandenen zweiten Tranche.
Der Kläger ist der Ansicht, die Aufrechnung mit gem. § 187 SGB III übergegangenen Vergütungsansprüchen auf Grund erfolgter Insolvenzgeldzahlungen sei nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam. Der Gegenanspruch sei nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Der Antrag auf Insolvenzgeld stelle eine Rechtshandlung der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin dar. Diese Rechtshandlung sei nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Die Aufrechnung würde die Beklagte gegenüber den übrigen Gläubigern bevorzugen. Die 100 %ige Befriedigung der Ansprüche der Beklagten widerspräche auch dem gesetzgeberischen Willen, der mit der Abschaffung der Privilegierung von Arbeitnehmeransprüchen in § 61 KO durch die Einführung der Insolvenzordnung zum Ausdruck gekommen sei. Die Ansprüche könnten daher nur als Insolvenzforderungen zur Tabelle angemeldet werden.
Hinsichtlich der nach Insolvenzeröffnung fällig gewordenen zweiten Tranche der Vermittlungsprämien sei eine Aufrechnung bereits nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unwirksam.
Der Kläger behauptet schließlich, die Insolvenzschu...