Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumungsvollstreckung bei Wohnraum: Notwendigkeit eines Vollstreckungstitels gegen den nicht mietenden Ehegatten
Orientierungssatz
Ein Vermieter bedarf zur Durchsetzung eines Räumungsanspruchs gegen den nicht herausgabebereiten Ehegatten des Mieters, der nicht selbst Mietvertragspartei ist, regelmäßig eines eigenständigen Vollstreckungstitels.
Tenor
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Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen. |
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Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. |
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Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. |
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Neunkirchen vom 06.09.2001 - Az.: 4 C 503/01 -, wonach die Schuldnerin verpflichtet ist, die - von ihr mit Mietvertrag vom 13.04.2000 angemietete - Wohnung der Gläubigerin im ... zu räumen und an diese herauszugeben. Die Wohnung der Gläubigerin wird seit dem 14.05.2000 auch von dem Ehemann der Schuldnerin, ..., bewohnt. Die Gläubigerin hat den Einzug des Ehemannes der Schuldnerin mit der Bescheinigung vom 27.04.2000 gemäß § 14 des Meldegesetzes bestätigt.
In dem Räumungstermin vom 13.12.2001 hat der zuständige Obergerichtsvollzieher ... lediglich die Schuldnerin aus dem Besitz der Wohnung gesetzt und eine Räumung der Wohnung in Bezug auf deren Ehemann unter Hinweis auf das Fehlen eines Vollstreckungstitels abgelehnt.
Die hiergegen unter dem 14.01.2002 eingelegte Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 21.02.2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Räumungsvollstreckung gegen den Ehegatten der Schuldnerin könne nicht auf der Grundlage des gegen die Schuldnerin gerichteten Räumungstitels betrieben werden. Aufgrund seines Mitgewahrsams sei vielmehr ein eigenständiger, gegen diesen selbst gerichteter Vollstreckungstitel erforderlich. Die Auffassung, die auf ein abgeleitetes und damit schwächeres Besitzrecht des Ehegatten abstelle, sei nicht mehr zeitgemäß und stehe in Widerspruch zu der gemeinschaftlich ausgeübten tatsächlichen Sachherrschaft beider Ehegatten. Etwas anderes könne auch nicht aus den Absätzen 2 und 3 des § 885 ZPO hergeleitet werden, da diese auf der überkommenen Vorstellung einer bloßen Besitzdienerschaft des Ehegatten beruhten.
Gegen diesen ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 01.03.2002 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin unter dem 15.03.2002 sofortige Beschwerde eingelegt.
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Beschwerdevorbringens im Einzelnen wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig gemäß §§ 793, 567 ff. der Zivilprozessordnung in ihrer seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung (vgl. § 26 Nr. 10 EGZPO), insbesondere fristgerecht eingelegt.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Gläubigerin zu Recht zurückgewiesen, denn der mit der Vollstreckung beauftragte Obergerichtsvollzieher war nicht befugt, die Räumungsvollstreckung aus dem vorliegenden Räumungstitel auch gegen den Ehemann der Schuldnerin durchzuführen.
Die Frage, ob der Vermieter aus einem allein gegen den Mieter gerichteten Räumungstitel die Räumungsvollstreckung auch gegen den Ehegatten oder andere Personen betreiben kann, die die Räumlichkeiten mit bewohnen, ohne jedoch selbst Mieter zu sein, ist in Rechtsprechung und Lehre umstritten.
Die Räumungsvollstreckung erfolgt nach § 885 Abs. 1 ZPO, wonach der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus seinem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen hat. Wer als Schuldner i.S.d. § 885 Abs. 1 ZPO zur Herausgabe verpflichtet ist, bestimmt sich dabei nicht nach materiellem Recht, sondern allein aus dem Vollstreckungstitel; Schuldner ist derjenige, der im Titel oder in der Vollstreckungsklausel genannt ist. Wie sich aus § 886 ZPO ergibt, setzt der Vollstreckungszugriff gegen den Schuldner weiter voraus, dass sich die herauszugebende Sache nicht im (Mit-) Gewahrsam eines Dritten befindet. Hat ein Dritter selbstständigen Allein- oder Mitgewahrsam an der herauszugebenden Sache und ist er nicht zur Herausgabe bereit, so ist zur Vollstreckung nämlich ein entsprechender Titel auch gegen den Dritten erforderlich (vgl. MünchKomm/Schilken, 2. Aufl., § 885 ZPO, Rn. 7 m.w.N.). Im Ergebnis bedeutet das, dass grundsätzlich gegen jeden (Mit-) Gewahrsamsinhaber ein Räumungstitel erwirkt werden muss.
Die (noch) herrschende Meinung hält die Räumungsvollstreckung auch gegen den Ehegatten - mit unterschiedlicher Begründung - im Ergebnis jedoch jedenfalls dann für zulässig, wenn der Vermieter - wie hier - einen entsprechenden Titel gegen denjenigen Ehegatten erstritten hat, der als Mieter und Vertragspartner die Herausgabe schuldet (vgl. hierzu MünchKomm/Schilken, aaO, § 885 ZPO, Rn. 9 mit zahlreichen Nachweisen auch zu den Gegenansichten; OLG Frankfurt, MDR 1969, 852, 853; OLG Hamm, NJW 1956, 1681 ff.; OLG Köln, NJW 1958, 598 f.; a.A. OLG Düsseldorf, ZMR 1998, 621: unter Hinweis ...