Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylrecht. Abschiebung. Abschiebungshaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die beabsichtigte Zurück- oder Abschiebung eines Ausländers nach Griechenland steht der Anordnung der Zurückschiebungs- oder Abschiebungshaft gemäß § 62 AufenthG nicht entgegen.

2. Der Haftrichter ist grundsätzlich nicht befugt, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu befinden; für die Überprüfung der Zulässigkeit der Ab- oder Zurückschiebung sind die Verwaltungsgerichte zuständig.

3. Die Haftanordnung gegenüber einem Ausländer, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland gemäß der Dublin II-Verordnung wird jedoch nach § 62 Abs. 2 S. 4 Aufenthaltsgesetz unzulässig, wenn der betroffene Ausländer einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat.

4. Dieses von dem Haftrichter zu beachtende Zurückschiebungshindernis, das einem alsbaldigem Vollzug des Ab- oder Zurückschiebungsbescheides entgegen steht, entsteht nur dann und erst dann, wenn der Antrag auf Eilrechtsschutz bei dem zuständigen Verwaltungsgericht gestellt ist.

 

Normenkette

VwGO § 123; FamFG §§ 58-59, 62 Abs. 2 Nr. 1; AsylVfG §§ 26a, 29a Abs. 2, § 55 Abs. 1 S. 3; AufenthG § 58 Abs. 2 Nr. 1, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, S. 4, § 71 Abs. 3 Nr. 1

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die gegen den Betroffenen verhängte Zurückschiebungshaft ab dem 12.02.2010 rechtswidrig gewesen ist.

2. Die Beschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

3. Gerichtskosten fallen in dem Beschwerdeverfahren nicht an.

4. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

5. Dem Betroffenen wird ab dem 18.02.2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihm wird zur Wahrnehmung seiner Rechte Rechtsanwalt …, beigeordnet.

6. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 3.000,00 EUR.

 

Tatbestand

A.

Der Betroffene ist afghanischer Staatsangehöriger.

Er wurde am 25.01.2010 im Intercity Express zwischen … und … ohne Ausweispapiere angetroffen und festgenommen. Die Antrag stellende Behörde hat ermittelt, dass der Betroffene am 17.08.2009 in Griechenland im Rahmen eines Asylgesuches erkennungsdienstlich behandelt worden ist.

Anlässlich seiner Anhörung durch die Beamten der Bundespolizei hat der Betroffene ein Asylgesuch gestellt.

Das Amtsgericht hat auf den Antrag der Bundespolizei nach vorheriger persönlicher Anhörung des Betroffenen durch den angefochtenen Beschluss vom 26.01.2010 Zurückschiebungshaft bis zum 26.04.2010 sowie die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, der Betroffene sei unerlaubt eingereist und deshalb vollziehbar ausreisepflichtig. Sein Asylgesuch in Deutschland stehe der Anordnung der Zurückschiebungshaft nicht entgegen, da er bereits in Griechenland ein Asylgesuch gestellt habe.

Dagegen hat der Betroffene am 18.02.2010 Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, er dürfe nicht nach Griechenland zurückgeschoben werden, da dort sein Asylrecht nicht geprüft werde.

Der Betroffene hat am 12.02.2010 einen Eilantrag nach § 123 VwGO beim Verwaltungsgericht Saarlouis mit dem Ziel gestellt, seine Abschiebung zu untersagen.

Das Verwaltungsgericht Saarlouis hat durch Beschluss vom 25.02.2010 (Az: 5 L 132/10) der Bundesrepublik Deutschland vorläufig die Vollziehung einer Abschiebung des Betroffenen nach Griechenland untersagt.

Am 03.03.2010 ist der Betroffene aus der Haft entlassen worden.

Der Betroffene beantragt nunmehr,

festzustellen, dass die gegen ihn verhängte Zurückschiebungshaft rechtswidrig gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

1. Die Beschwerde des Betroffenen ist gemäß §§ 58, 59 FamFG zulässig.

2. Die Beschwerde ist auch nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 2002, 2456, 2457), wonach das Rechtschutzbedürfnis eines Rechtsmittels wegen einer zwischenzeitlichen Erledigung nicht entfällt, ist durch § 62 FamFG ausdrücklich anerkannt und in das Gesetz aufgenommen worden. Nach dieser Vorschrift spricht das Beschwerdegericht nach der Erledigung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des 1. Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn – wie vorliegend – schwerwiegende Grundrechtseingriffe (gem. Art 1, 2 Abs. 2 GG) gegeben sind (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

II.

Die Beschwerde ist insoweit begründet, als auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag des Betroffenen auszusprechen war, dass die gegen den Betroffenen verhängte Zurückschiebungshaft ab dem 12.02.2010 rechtswidrig gewesen ist.

1. Die Anordnung der Zurückschiebungshaft auf den Antrag der Bundespolizei (vgl. § 417 FamFG), die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständig ist und der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz die Zurückweisung und Zurückschiebung von Aus...

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