Nachgehend
Tenor
Dem Oberlandesgericht Stuttgart wird das Verfahren vorgelegt, um im Rahmen des Feststellungsziels der Rechtzeitigkeit der ad-hoc-Mitteilung über das Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten Prof. Jürgen Schrempp über folgende Anträge (Streitpunkte) zu entscheiden:
Es wird festgestellt,
- dass spätestens seit Mitte Mai 2005 oder jedenfalls zu irgendeinem späteren Zeitpunkt vor dem 28.7.2005, 10:32 Uhr, insbesondere seit dem 15.7.2005, jedenfalls seit dem 19.7.2005 oder jedenfalls spätestens seit dem 27.7.2005 durch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, Herrn Prof. Jürgen Schrempp, eine Insiderinformation im Sinne des § 37b Abs. 1 WpHG entstanden ist und die Beklagte diese nicht unverzüglich veröffentlich hat.
- hilfsweise, dass die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats am 28.7.2005 um ca. 9:50 Uhr vorgelegen haben.
- weiter hilfsweise, dass die Beklagte kraft Gesetzes von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 WpHG befreit war, da die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats am 28.7.2005 um ca. 9:50 Uhr vorgelegen haben.
- weiter hilfsweise, dass die tatbestandssauschließende Wirkung des § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG unabhängig davon greift, ob die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 15 Abs. 3 S. 4 WpHG nachgekommen ist, der BaFin die Gründe für eine etwaig erforderliche Selbstbefreiung mitzuteilen.
- weiter hilfsweise, dass ein Schadenersatzanspruch nach § 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens auch dann nicht in Betracht käme, wenn eine formelle Entscheidung über die Selbstbefreiung oder eine Mitteilung an die BaFin erforderlich gewesen sein soll.
- weiter hilfsweise, dass die Beklagte weder vorsätzlich noch grob fahrlässig die rechtzeitige Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden ihres Vorstandsvorsitzenden unterlassen hat.
- dass im Falle der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens bei § 37b WpHG die Kläger keinen individuellen Vortrag zur haftungsbegründenden Kausalität darlegen und beweisen müssen.
- dass in den Schutzbereich des § 37b Abs. 1 WpHG sowohl die Haftung auf Rückgängigmachung der vom Anleger getätigten Anlageentscheidung als auch die Haftung auf die Kursdifferenz fällt.
- dass der Kursdifferenzschaden nach § 37b WpHG anhand des hypothetischen Kursanstiegs der Aktie der Beklagten nach dem Zeitpunkt zu ermitteln ist, an dem die Beklagte gemäß § 15 Abs. 1 WpHG zur Veröffentlichung des vorzeitigen Ausscheidens von Herrn Prof. Schrempp verpflichtet gewesen ist.
- weiter hilfsweise, dass Anleger, die in der Zeit seit Mitte Mai 2005 bis zum 28.7.2005 DaimlerChrysler-Aktien veräußert haben, als Schadenersatz nicht die Differenz zwischen dem Kurs, zu dem sie ihre Aktien veräußert haben und dem Schlusskurs am 28.7.2005, sondern nur in Höhe eines absoluten Eurobetrages je verkaufter DaimlerChrysler-Aktie verlangen können, um den der Aktienkurs der DaimlerChrysler-Aktie am Stichtag des 28.7.2005 nachweisbar in Folge der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden von Herrn Prof. Schrempp angestiegen ist, da die Anleger andernfalls einen Ersatz für das allgemeine Marktrisiko erhielten.
- weiter hilfsweise im Hinblick auf die Berechnung des Differenzschadens, in welcher Höhe der Aktienkurs der DaimlerChrysler-Aktie am 28.7.2005 – ausgedrückt als absoluter Eurobetrag – nachweisbar infolge der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden von Herrn Prof. Schrempp angestiegen ist.
Gründe
Die 10 Kläger und die Beklagte haben Musterfeststellungsanträge gemäß § 1 Abs. 1 KapMuG gestellt, um die Vorlage des Verfahrens an das Oberlandesgericht Stuttgart zur Herbeiführung eines Musterentscheids gemäß § 4 Abs. 1 KapMuG zu erreichen. Sie möchten die im Tenor genannten Streitpunkte im Zusammenhang mit den von den Klägern angestrebten Schadenersatzansprüchen wegen verspäteter Ad-hoc-Mitteilung beim Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten Prof. Jürgen Schrempp in einem Musterverfahren klären lassen.
I. Zulässigkeit des Musterfeststellungsantrags
Das Verfahren ist gemäß § 4 Abs. 1 KapMuG dem Oberlandesgericht Stuttgart vorzulegen, da die zehn Kläger und die Beklagte in diesem Verfahren gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt haben. Die Kläger Ziff. 2 bis 10 haben weitere Musterfeststellungsanträge innerhalb von vier Monaten nach der Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags des Klägers Ziff. 1 im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Unerheblich ist, dass die Anträge nicht in verschiedenen Verfahren gestellt wurden. Ausreichend sind Anträge von 10 Klägern in einem Verfahren (Reuschle, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, S. 33).
Die Musterfeststell...