Leitsatz (amtlich)

Zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes im aktienrechtlichen Spruchverfahren unter Berücksichtigung der Abgeltungssteuer.

 

Tenor

  • 1.

    Die Anträge der Antragsteller zu 18, 79 und 99 werden als unzulässig verworfen.

  • 2.

    Die übrigen Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung werden zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  • 4.

    Der Geschäftswert wird auf 200.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

A.

Die Antragsteller begehren als ehemalige Minderheitsaktionäre der B AG mit Sitz in Ludwigsburg die Festsetzung einer angemessen Barabfindung, nachdem die Hauptversammlung der B AG dem Verlangen der Antragsgegnerin, der herrschenden Mehrheitsaktionärin W Germany GmbH, zugestimmt hat, die Anteile der übrigen Aktionäre übertragen zu bekommen (sog. "Squeeze-Out").

I.

Die B AG ist ein weltweit tätiger Automobilzulieferer und Mutterunternehmen des B-Konzerns. Unternehmensgegenstand der B AG ist die Herstellung und der Vertrieb sowie der Handel mit Glüh- und Zündkerzen sowie anderen elektrischen, elektronischen, mechanischen und sonstigen Komponenten aller Art, ferner die Errichtung von Tochtergesellschaften, Zweigniederlassung, die Beteiligung an Unternehmen sowie Erwerb und Halten des erforderlichen Anlagevermögens. Der Konzern entwickelt, produziert und vertreibt Produkte in den Geschäftsfeldern Dieselkaltstarttechnologie, Zündungstechnik sowie Elektronik und Sensorik.

Zwischen der Antragsgegnerin als herrschendem Unternehmen und der B AG als beherrschtem Unternehmen war am 17.03.2008 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden, dem die ordentliche Hauptversammlung der B AG vom 21.05.2008 zugestimmt hatte und der am 04.06.2008 in das Handelsregister eingetragen wurde. Dieser Vertrag sieht für die außenstehenden Aktionäre einen jährlichen Ausgleich von brutto 4,73 € je Stückaktie abzüglich der jeweiligen Körperschaftsteuerbelastung nebst Solidaritätszuschlag vor - dem entsprechend ein errechneter Betrag von 4,23 € nach Abzug der aktuellen Köperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag - und er bietet ihnen das Ausscheiden gegen eine Barabfindung von 71,32 € an (siehe i.E. Übertragungsbericht, Anl. AG 1, S. 5 ff). 74 Antragsteller haben beim Landgericht Stuttgart die Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs und/oder einer angemessenen Barabfindung beantragt. Die Kammer hat in diesem unter Az. 31 O 55/08 KfH bei ihr anhängigen Spruchverfahren mit Beschluss vom heutigen Tag die auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung gerichteten Anträge zurückgewiesen und den angemessenen festen Ausgleich auf 4,72 € nach Körperschaftssteuer und vor persönlicher Einkommensteuer der Anteilseigner festgesetzt; dieser Beschluss wird in Kürze u.a. auch in der über die Homepage des Landgerichts erreichbaren Landesrechtsprechungsdatenbank veröffentlicht werden.

Das Grundkapital der B AG betrug 26.000.000 € und es war in 10.000.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt. Die Antragsgegnerin hielt Ende März 2009 hiervon 9.686.280 Stück, d.h. ca. 96,9 % der Aktien, die restlichen Aktien befanden sich im Streubesitz (ÜB S. 3 f; BG S. 13). Die Aktien waren zum Handel im Regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse, der Stuttgarter Wertpapierbörse und im elektronischen XETRA-Handel zugelassen und sie wurden an weiteren deutschen Börsenplätzen im Freiverkehr gehandelt.

Mit Schreiben vom 07.01.2009 an den Vorstand der B AG verlangte die Antragsgegnerin die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre (Anlage 1 zum Übertragungsbericht, nachfolgend zitiert als "ÜB" mit Seitenzahl). Dies gab die B AG mit Ad-hoc-Mitteilung vom selben Tag bekannt (vgl. ÜB S. 1). Das Landgericht Stuttgart bestellte auf Antrag der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 16.01.2009 die X Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH zur sachverständigen Prüferin (Anl. 1 zu deren Prüfbericht, Anl. AG 3). Im Auftrag der Antragsgegnerin erstellte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E AG unter dem 25.03.2009 eine gutachterliche Stellungnahme zum Unternehmenswert der B AG zum 20. Mai 2009 (Anl. AG 2, nachfolgend kurz als Bewertungsgutachten bezeichnet und zitiert als "BG" mit Seitenzahl). Im Bewertungsgutachten wurden ein anteiliger Unternehmenswert je Aktie von 55,02 € sowie ein Barwert der kapitalisierten Ausgleichszahlung auf der Grundlage des o.g. Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags von 65,63 € ermittelt und ein von der BaFin mitgeteilter Mindestpreis im Sinne der WpÜG-Angebotsverordnung von 73,39 € am 07.01.2009 als angemessene Barabfindung genannt. Dieser Betrag wurde auch von den gerichtlich bestellten Prüfern in ihrem Bericht vom 27.03.2009 als angemessen bezeichnet (Anl. AG 3) und von der Antragsgegnerin im Übertragungsbericht als angemessene Barabfindung festgelegt (Anl. AG 1).

Die Hauptversammlung der B AG vom 20.05.2009 beschloss die Übertragung der Aktien auf die Antragsgegnerin. Hiergegen gerichtete Anfechtungsklagen, die bei der Kammer anhängig wa...

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