1 Leitsatz

Die Verwendung einer unwirksamen Abnahmeklausel durch den Bauträger steht der Verwirkung der Mängelansprüche der Erwerber gegen den Bauträger nicht in jedem Falle entgegen.

2 Normenkette

§ 9a WEG; §§ 242, 637 Abs. 3 BGB

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer, die ihre Wohnungseigentumsrechte im Jahr 1999 gekauft haben, haben das gemeinschaftliche Eigentum nie ausdrücklich abgenommen. Die Abnahmeklausel ("Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt für den Käufer in Gegenwart des Verwalters durch einen vereidigten Sachverständigen, der vom Verkäufer ausgewählt und bezahlt wird. Der Käufer beauftragt und bevollmächtigt hiermit unwiderruflich den vereidigten Sachverständigen zur Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums.") ist unstreitig unwirksam. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rügt gegenüber Bauträger B im Jahr 2004 diverse Mängel an der Heizungsanlage. In der Folgezeit beauftragt sie einen Sachverständigen, der im Jahr 2005 auf 37 Seiten eine Vielzahl an Mängeln feststellt. K geht davon aus, dass im Jahr 2006 die Mängel überwiegend behoben worden sind. Im Jahr 2007 wird in einer Versammlungsniederschrift (§ 24 Abs. 6 WEG) vermerkt, die Gewährleistung sei "nunmehr abgelaufen", die Mängelbeseitigung weit fortgeschritten und fast abgeschlossen. Im Jahr 2021, also 15 Jahre später, rügt K dennoch gegenüber B erhebliche Mängel am Dach, deren Beseitigung sie mit über 800.000 EUR beziffert. Fraglich ist, ob die Ansprüche der Wohnungseigentümer als Erwerber gem. § 637 Abs. 3 BGB verwirkt sind.

4 Die Entscheidung

Das OLG bejaht zunächst die Frage! Hierfür spreche die erhebliche Zeitdauer von etwa 20 Jahren, gemessen zwischen Übergabe im Jahr 2001 und den Beanstandungen der Mängel im Jahr 2021. Berücksichtige man die Wertung in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB sei das "Zeitmomentum" um das 4-fache der regulären Verjährungsfrist überschritten – und sogar im Strafrecht komme der doppelten Verjährungsfrist erhebliche Rechtsbedeutung zu (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB). In § 199 Abs. 4 BGB sei eine allgemeine Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren vorgesehen. Die Rechtsprechung habe – bis heute – erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit der Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums bei Wohnungseigentumsanlagen, ein Umstand, der durch die "Nachzügler-Rechtsprechung" noch verschärft werde. Einem Unternehmer könne daher bei einer Gesamtbetrachtung nicht der Vorwurf gemacht werden, sich unredlich verhalten zu haben. Diesen, im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Abnahmeklauseln, für alle Zeit zu sanktionieren, sei eher eine angloamerikanische Betrachtungsweise. Der Senat messe ferner dem Umstand, dass die Besteller bzw. die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer 2-fach das Werk über einen Sachverständigen habe prüfen lassen und B jeweils die dort festgestellten Mängel beseitigt habe, erhebliches Gewicht zu.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall fragt es sich, wie lange die Wohnungseigentümer als Erwerber gegen den Bauträger Rechte haben, wenn es nie zu einer wirksamen, wenigstens konkludenten Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums gekommen ist.

Verwirkung

Das OLG bringt die Frage der Verwirkung ins Spiel. Diese setzt voraus, dass eine lange Zeit vergangen ist und sich beim Gegenüber wegen eines Verhaltens seines Vertragspartners Vertrauen gebildet hat. Im Fall mag es so liegen. Es ist, wie so häufig, eine Fallfrage.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Eine Verwaltung muss wissen, dass eine Abnahmeklausel, wie sie im Sachverhalt berichtet wird, unwirksam ist, und auf der Abnahmeklausel beruhende Erklärungen, gäbe es diese, ins Leere gehen. Der Fall zeigt damit, dass gegebenenfalls Jahrzehnte nach Bezug der Wohnungen noch Rechte der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger bestehen können. In geeigneten Fällen sollte die Verwaltung den Wohnungseigentümern von diesem Umstand berichten. Dann ist zu klären, ob man mithilfe eines Rechtsanwalts versucht, mögliche Rechte noch durchzusetzen. Ob dies gelingen kann, ist eine Fallfrage. Die Verwaltung trifft jedenfalls für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Informationspflicht, dass solche Rechte nicht vollständig ausgeschlossen sind.

6 Entscheidung

OLG München, Beschluss v. 19.10.2023, 28 U 3344/23 Bau

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