1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer muss auf seinen Mieter einwirken, damit dieser die anderen Wohnungseigentümer nicht vermeidbar stört.
2 Normenkette
§§ 9a Abs. 2, 13 Abs. 1, 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 WEG; § 1004 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K fühlt sich durch den Mieter X der Wohnungseigentümer B1 und B2 im Gebrauch seiner Wohnung gestört (lautes Hundegebell, Poltern und Trampeln, Türenknallen, laute Streitgespräche, Partylärm). K wendet sich daher an B1 und B2 mit dem Wunsch, dass diese den Mietvertrag mit X kündigen mögen. B1 und B2 rufen den Mieter an, unterrichten ihn über die Beschwerde, weisen auf die Ruhezeiten in der Hausordnung hin und fordern X auf, sich an die Hausordnung zu halten.
Da der Lärm anhält, lässt K B2 durch seinen Anwalt R abmahnen. Dafür muss K dem R 480,12 EUR zahlen. Im August 2020 klagt K außerdem gegen B1 und B2 auf Unterlassung. Nach einer Befragung der anderen Wohnungseigentümer und Bewohner mahnen B1 und B2 jetzt den X ab und erklären, im Wiederholungsfall eine außerordentliche, hilfsweise eine ordentliche Kündigung des Mietvertrags auszusprechen. In der Folge kündigen sie den Mietvertrag im April 2021 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. X zieht daraufhin aus und die Parteien erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Streitig ist nur noch, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
4 Die Entscheidung
Das AG meint, B1 und B2 müssten die Kosten tragen. K sei ungeachtet der "Mitstörung" des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt gewesen, gegen die Störungen seines Sondereigentums vorzugehen.
K habe nach § 1004 Abs. 1 BGB und auch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 WEG Unterlassung verlangen können. Aus der Wohnung von B1 und B2 sei unstreitig Lärm in einem Umfang gedrungen, der nicht im Einklang mit der Hausordnung gestanden habe. Der vermietende Wohnungseigentümer müsse alles in seiner Macht Stehende unternehmen, damit seine Mieter einem berechtigten Unterlassungsbegehren der anderen Wohnungseigentümer Folge leisten. B1 und B1 seien auch in der Lage gewesen, X vor Eingang der Klage abzumahnen. Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ergebe sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall haben die Wohnungseigentümer B1 und B2 ihre Wohnung an X vermietet. Dazu sind sie nach § 13 Abs. 1 WEG berechtigt. Überlässt ein Wohnungseigentümer sein Sondereigentum einem Dritten, muss er dafür sorgen, dass dieser die Regelungen der Wohnungseigentümer untereinander kennt und beachtet. Gibt es keine besonderen Regelungen – solche können nach § 19 Abs. 1 WEG beschlossen oder § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG vereinbart werden – muss der Wohnungseigentümer als Vermieter dafür sorgen, dass der Mieter die anderen Wohnungseigentümer nicht vermeidbar stört. Das Gesetz spricht an dieser Stelle davon, dass der Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern keinen Nachteil zufügen darf, der das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß übersteigt.
Dass ein Wohnungseigentümer diese Pflicht hat, war im bis zum 1.12.2020 geltenden Recht dem Gesetz unmittelbar zu entnehmen. Denn nach § 14 Nr. 2 WEG a. F. musste ein Wohnungseigentümer für die Einhaltung der in § 14 Nr. 1 WEG a. F. bezeichneten Pflichten durch Personen sorgen, die seinem Hausstand oder Geschäftsbetrieb angehören oder denen er sonst die Benutzung der im Sonder- oder Miteigentum stehenden Grundstücks- oder Gebäudeteile überlässt. Diese klare Regelung hat die WEG-Reform gestrichen. Der Sache nach kann aber nicht zweifelhaft sein, dass ein Wohnungseigentümer weiterhin verpflichtet ist, seinen Mieter oder Pächter oder andere Drittnutzer, zum Beispiel einen Nießbraucher, zur Ordnung zu rufen, wenn dieser über die Stränge schlägt und stört. Was er im Einzelnen tun muss, ist allerdings seine Sache. Man kann nur darauf klagen, dass der Vermieter – wie auch immer – auf den Drittnutzer mit dem Ziel einwirkt, die Störungen abzustellen.
Im Fall wird vor diesem Hintergrund nur gefragt, was gilt, wenn ein Mieter als Drittnutzer nicht nur das Sondereigentum, sondern auch das gemeinschaftliche Eigentum stört. Es hätte allerdings auch gefragt werden sollen, ob die Benutzungsbestimmungen der Wohnungseigentümer den Mieter binden und was gilt, wenn solche Benutzungsbestimmungen fehlen.
Mitstörung des gemeinschaftlichen Eigentums
Nach § 9a Abs. 2 WEG übt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Stört ein Wohnungseigentümer oder ein Drittnutzer das gemeinschaftliche Eigentum und eine Wohnung oder einen Raum, die im Sondereigentum stehen, muss man daher fragen, was bei einer Überschneidung gilt.
Für diese Fälle hat der BGH bereits im Sommer 2021 für das neue WEG eine Klärung herbeigeführt. Danach kann ein Wohnungseigentümer auch nach dem 1.12.2020 Unterlassungs- und/oder Beseitigungsansprüche gem. § 1004 BGB oder § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG, die auf die Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums gerichtet sind, auch dann selbst geltend machen, wenn z...