Nutzungsänderung
Mitunter wird ein Notwegrecht nur deshalb reklamiert, weil eine bestimmte Bebauung ermöglicht oder ein aufwendiger Umbau vermieden werden soll. Hier jedoch stellt die Rechtsprechung hohe Hürden für den Anspruchsteller auf.
Fehlende Baugenehmigung
So kann die beabsichtigte Bebauung eines unbebauten Grundstücks die Inanspruchnahme eines Notwegs nicht rechtfertigen, wenn die Errichtung mangels endgültiger Baugenehmigung gegen öffentliches Baurecht verstößt und damit keine ordnungsmäßige Nutzung des Grundstücks darstellt.
Alternative Zufahrtsmöglichkeit
Ebenfalls kommt ein Notwegrecht nicht in Betracht, wenn der Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks eine Zufahrt zu diesem in zumutbarer Weise über ein anderes, in seinem Eigentum stehendes Grundstück errichten kann. In diesem Fall kann das Notwegrecht allenfalls befristet und längstens bis zur Herstellung der anderweitigen Verbindung mit dem öffentlichen Weg zugesprochen werden.
Erfordert die Errichtung dieser Alternativ-Zufahrt eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans und kommt in Betracht, dass der Eigentümer einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf deren Erteilung hat, ist es ihm grundsätzlich zuzumuten, diesen gerichtlich durchzusetzen.
Klage gegen Baugenehmigung?
Eine Grundstücksnutzung, die gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, ohne durch eine Baugenehmigung gedeckt zu sein, kann auch von der Privatrechtsordnung nicht als "ordnungsmäßig" i. S. d. § 917 Abs. 1 BGB anerkannt werden. Umgekehrt stellt eine durch eine Baugenehmigung gedeckte Grundstücksnutzung auch eine "ordnungsmäßige Benutzung" i. S. v. § 917 Abs. 1 BGB dar, die einen Anspruch auf Einräumung eines Notwegrechts begründet. Daher muss sich der Nachbar bereits gegen die Erteilung der Baugenehmigung zur Wehr setzen können.
Umbau zumutbar?
Gelegentlich ist die tatsächliche Gebäude- und Grundstückssituation so kompliziert, dass nur aufwendige Umbaumaßnahmen oder eben die Mitbenutzung des Nachbargrundstücks helfen können.
Zumutbare Umbaumaßnahmen
Das Gebäude einer Grundstückseigentümerin grenzt an den öffentlichen Straßenraum an. Die Hauseingangstür befindet sich jedoch nicht an dieser Seite des Gebäudes, sondern an einer anderen, zum Grundstück eines Nachbarn hinweisenden Seite. Jahrelang ging es gut, bis es zum Streit kam und der bis dahin liebe Nachbar den Zugang mit Brettern vernagelte. Die ausgesperrte Nachbarin klagte nun auf Bewilligung eines Notwegrechts – jedoch ohne Erfolg.
Das OLG Karlsruhe befand, dass dem Eigentümer in einem solchen Fall ein Notwegrecht über das Nachbargrundstück nur zusteht, wenn die Verlegung der Tür technisch unmöglich oder aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Die Grenze der Zumutbarkeit sei dabei nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des Nachbarn und den Kosten für den erforderlichen Umbau zu bestimmen. Maßgeblich sei vielmehr das Verhältnis dieser Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks. Hier machte der Betrag, der für eine Verlegung der Hauseingangstür aufzuwenden ist, weniger als 5 % des Grundstückswerts aus.
Unzumutbare Umbaumaßnahmen
Wirtschaftliche Unzumutbarkeit
In einem anderen Fall wurde dem Nachbarn ein Notwegrecht zugestanden: Zwar sei die Herstellung eines Zugangs von der öffentlichen Straße zu den im hinteren Teil des Hauses gelegenen Wohnungen nicht unmöglich. Jedoch sei dem Beklagten ein grundsätzlich möglicher Umbau des Hauses mit Kosten von mindestens 56.000 EUR wirtschaftlich unzumutbar. Für die Frage der Zumutbarkeit sei das Verhältnis der für die Schaffung einer Zuwegung notwendigen Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks entscheidend; auf die Beeinträchtigung des auf Duldung des Notwegs in Anspruch genommenen Nachbarn sei in diesem Zusammenhang nicht abzustellen.