Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeldverfahren. Verkehrsordnungswidrigkeit. Geschwindigkeit. Geschwindigkeitsüberschreitung. Geschwindigkeitsverstoß. Höchstgeschwindigkeit. Geldbuße. Fahrverbot. Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdegericht. Sachrüge. Urteil. Urteilsgründe. Urteilsfeststellungen. Gründe. Feststellungen. Aufhebung. Zurückverweisung. lückenhaft. Geschwindigkeitsmessung. Messvorgang. Messverfahren. standardisiert. Toleranz. Messtoleranz. Toleranzwert. Toleranzabzug. Beweiswürdigung. Lücke. Geständnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, genügt es im Regelfall, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit stützt. Diese Angaben sind aber andererseits auch geboten; auf sie kann nur im Falle eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden (Anschluss an BGHSt 39, 291; 43, 277; OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 - 3 Ss OWi 1220/15 [bei [...]]).

2. Hat der Tatrichter bei einem standardisierten Messverfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt, so ist die Mitteilung erforderlich, aus welchem Grund und zu welchem konkreten Beweisthema dies erfolgt ist. Denn nur so kann das Rechtsbeschwerdegericht verlässlich beurteilen, ob der Tatrichter zunächst ggf. Anhaltspunkte für eine Fehlmessung hatte und ob diese durch die Beweisaufnahme in ausreichender Weise ausgeräumt werden konnten (Aufrechterhaltung OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 - 3 Ss OWi 1220/15 [bei [...]]).

3. Es stellt einen sachlichrechtlichen Mangel dar, wenn der Tatrichter die Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes auf ein Sachverständigengutachten stützt, ohne die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiederzugeben (Anschluss u.a. an: BGH, Beschl. v. 02.04.2015 - 3 StR 103/15; 19.11.2014 - 4 StR 497/14 [jeweils bei [...]]; 06.05. 2014 - 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244 und 17.06.2014 - 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305).

 

Normenkette

StVG § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 2a S. 1; StVO § 18 Abs. 5 S. 2 Nrn. 1b, 1c, § 41 Abs. 1, § 49 Abs. 3 Nr. 4; StPO § 267 Abs. 1, § 274; OWiG § 71 Abs. 1; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BKat Nr. 11.3.8

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 24. Juli 2017 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zur erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 24.07.2017 wegen "fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 52 km/h" eine Geldbuße in Höhe von 480 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG verhängt. Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat bereits auf die Sachrüge - zumindest vorläufig - Erfolg, weil das Urteil an durchgreifenden Darstellungsmängeln leidet. Die Urteilsgründe sind lückenhaft (§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO) und widersprechen zudem der Urteilsformel, sodass der Senat zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils gezwungen ist. Auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

1. Das angefochtene Urteil kommt den Mindestanforderungen, welche die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Gründe im Falle der Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung stellt, nicht nach. In den Urteilsgründen wird zwar mehrfach erwähnt, dass es sich um ein "standardisiertes Messverfahren" handele und ein "Toleranzabzug" vorgenommen worden sei. Es unterbleibt jedoch die Mitteilung des konkreten Messverfahrens und der Höhe des Toleranzabzugs. Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ist es im Regelfall ausreichend, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die Höhe des vorgenommenen Toleranzabzugs stützt. Denn mit der Mitteilung des angewandten Messverfahrens sowie des berücksichtigten Toleranzwertes wird im Rahmen eines durch Normen vereinheitlichten (technischen) Verfahrens eine für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in aller Regel hinreichende Entscheidungsplattform zur Beurteilung einer nachvollziehbaren tatrichterlichen Beweiswürdigung geschaffen (BGHSt 39, 291; 43, 277; OLG Bamberg, Beschl. vom 20.10.2015 - 3 Ss OWi 1220/15 [bei [...]]). Diese Angaben sind aus den genannten Gründen aber auch grundsätzlich geboten; hierauf kann nur im Falle eines glaubhaften Geständnisses des...

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