Leitsatz (amtlich)
1.
Auch im Bußgeldverfahren ist unabhängig von der Einhaltung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 I 2 StPO die nachträgliche Ergänzung eines nicht mit Gründen versehenen, also abgekürzten Urteils bzw. die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe grundsätzlich unzulässig, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist; dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn das Gesetz entsprechende Ausnahmen zulässt (Anschluss an BGHSt 43, 22/26; BayObLG ZfS 2004, 382; OLG Bamberg ZfS 2006, 592 = VM 2007 Nr. 27 und ZfS 2007, 55/56).
2.
Mit der gerichtlichen Anordnung der Übersendung der Akten einschließlich eines ohne Gründe ins Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen und/oder als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen oder diesem nachgehefteten Urteils an die Staatsanwaltschaft zur Zustellung gemäß § 41 StPO hat sich der Tatrichter für die Hinausgabe einer nicht mit Gründen versehenen Urteilsfassung entschieden (Anschluss an OLG Celle VRS 75, 461/462; OLG Rostock, Beschluss vom 06.10.2004 - 2 Ss [OWi] 259/04; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; OLG Bamberg ZfS 2006, 592 und OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 212/213). Damit hat ein schriftliches Urteil ohne Gründe den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen hin in Erscheinung getreten.
3.
Ist ein solches Urteil aus dem (inneren) Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden, ohne dass die Voraussetzungen des § 77 b I OWiG gegeben waren, scheidet eine nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe auch dann aus, wenn das Gericht mit der Zustellung (lediglich) eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft zur Frage der Rechtsmitteleinlegung herbeiführen wollte.
Tatbestand
Zum Sachverhalt:
Das AG hat den von der Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung entbundenen, jedoch von einem RA mit Vertretungsvollmacht (§ 73 III OWiG) verteidigten Betr. am 02.04.2008 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 47 km/h zu einer Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt. Das schon in seiner Einleitung den Namen des Betr. bezeichnende Protokoll der Hauptverhandlung enthält den Vermerk: "Der Richter stellte die persönlichen Daten des Betroffenen fest wie im Bußgeldbescheid" sowie den vollständigen Tenor des verkündeten Urteils nebst der Liste der angewendeten Vorschriften. Es ist abschließend von der Protokollführerin und dem erkennenden Richter unterzeichnet. Als Nächstes befindet sich in der Akte ein (weiteres) gleichlautendes und ebenfalls von dem erkennenden Richter unterzeichnetes Urteil, bestehend aus einem vom Richter handschriftlich mit Aktenzeichen, Schuldspruch, Rechtsfolgen und angewendeten Vorschriften, nicht jedoch mit dem Namen des Betr. ergänzten Vordruck. Mit der unmittelbar anschließenden und zeitlich mit dem Tag der Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls zusammenfallenden Verfügung vom 03.04.2008 ordnete das Gericht die Übersendung der Akten an die StA "gem. § 41 StPO" an. Bei der StA gingen die Akten ausweislich des am unteren Rand von Seite 3 des Hauptverhandlungsprotokolls nach der Liste der angewendeten Vorschriften und der Protokollierung eines Verzichts auf Rechtsmittelbelehrung befindlichen und mit dem Vermerk "Zur Zustellung eingelaufen" versehenen Eingangsstempels der StA am 07.04.2008 ein. Nach Rückkunft der Akten am 08.04.2008 mit einem von einem Staatsanwalt unterzeichneten, auf dem Verfügungsformular bereits vorgedruckt enthaltenen Rechtsmittelverzicht fertigte der Tatrichter ein mit Gründen versehenes, von ihm unterschriebenes und ausweislich des angebrachten Vermerks am 05.05.2008 zur Geschäftsstelle gelangtes Urteil und verfügte unter diesem Datum dessen Zustellung an den Verteidiger des Betr. sowie (wiederum) an die StA. Dieser ist es, wie dem erneut mit dem Vermerk "Zur Zustellung eingelaufen" versehenen Eingangsstempel zu entnehmen ist, am 12.06.2008 zugegangen.
Die gegen das Urteil per Telefax am 03.04.2008 um 16.58 Uhr eingelegte und am 06.06.2008 mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betr. führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG durch den nach Übertragung der Sache zur Fortbildung des Rechts (§ 80 a III 1 OWiG) in der Besetzung mit drei Richtern entscheidenden Senat.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge - vorläufigen - Erfolg, weil das der StA auf richterliche Verfügung am 07.04.2008 zugegangene, für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht maßgebliche Urteil entgegen § 71 I OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Gründe enthält und damit dem Senat eine materiell-rechtliche Überprüfung auf etwaige Rechtsfehler von vornherein verwehrt ist; eine Ergänzung durch die am 05.05.2008 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe ist unzulässig.
1.
Das Rechtsbeschwerdegeri...