Entscheidungsstichwort (Thema)

Abkürzung der Fahrverbotsdauer wegen Angewiesenheit auf Kfz-Nutzung zur Erreichung des Arbeitsplatzes

 

Leitsatz (amtlich)

Begründet der Betroffene einen zur Abkürzung oder zum Wegfall des Fahrverbots zwingenden Härtefall damit, dass er auf die Kraftfahrzeugnutzung zur Erreichung seines Arbeitsplatzes angewiesen sei, müssen sich die Urteilsgründe auch dazu verhalten, warum der Betroffene nicht darauf verwiesen werden kann, vorübergehend ein Zimmer in Arbeitsplatznähe anzumieten. Die hierfür anfallenden Aufwendungen sind unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbotes schon deshalb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die ersparten Aufwendungen für die private Fahrzeugnutzung gegenüber zu stellen sind.

 

Normenkette

StPO § 267 III; StVG § 24; StVO § 4 I 1; BKatV § 4 I 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Das AG hat die Betr. wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstandes von einem vorausfahrenden Fahrzeug (§ 4 I 1 StVO) zu einer Geldbuße von 300 Euro verurteilt und gegen sie - abweichend von dem entsprechend Nr. 12.6.4 BKat in der zur Tatzeit gültigen Fassung des Bußgeldkatalogs neben einer Regelgeldbuße von 200 Euro ein Fahrverbot von zwei Monaten vorsehenden Bußgeldbescheid - ein Fahrverbot lediglich für die Dauer eines Monats verhängt. Nach den Feststellungen steuerte die Betr. am 17.04.2008 um 15.57 Uhr den von ihr geführten Pkw auf der BAB A 72 in Fahrtrichtung Dresden, wobei sie bei Km 13,2 bei einer Geschwindigkeit von 133 km/h einen Abstand von nur 11,45 Metern zum vorausfahrenden Fahrzeug und damit von weniger als 2/10 des halben Tachowertes einhielt. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde beanstandet die StA, dass das AG gegen die Betr. nicht entsprechend dem Bußgeldbescheid ein (Regel-) Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten verhängt hat. Das erfolgreiche Rechtsmittel führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG.

 

Entscheidungsgründe

Das AG hat zutreffend erkannt, dass aufgrund seiner Feststellungen gemäß §§ 24, 25 I 1 1. Alt. StVG i.V.m. § 4 I 1 Nr. 2 BKatV i.V.m. Nr. 12.6.4 (Geschwindigkeit über 130 km/h) der Tabelle 2 zum BKat in seiner zur Tatzeit gültigen Fassung neben der Anordnung einer Geldbuße von 200 Euro die Verhängung eines Regelfahrverbots für die Dauer von zwei Monaten wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in Betracht kam. Allerdings hält die Begründung, aufgrund derer sich das AG abweichend von dem an sich verwirkten Regelfahrverbot von zwei Monaten zur Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer lediglich eines Monats veranlasst gesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.

Aufgrund der auch von den Gerichten zu beachtenden Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 I BKatV ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung im Sinne von § 25 I 1 StVG indiziert, so dass es regelmäßig der Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme bedarf (BGHSt 38, 125/130 und 231/235; BayObLG VRS 104, 437/438; stRspr. des Senats). Diese Bindung der Sanktionspraxis dient nicht zuletzt der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen (BVerfG NZV 1996, 284/285; OLG Zweibrücken DAR 2003, 531/532; KG NZV 2002, 47). Zu diesen Rechtsfolgen zählt jedoch nicht nur die Frage, ob gegen einen Betr. "in der Regel" ein Fahrverbot zu verhängen ist (vgl. § 4 I 1 BKatV), sondern auch - wie sich aus § 4 I 2 BKatV ergibt - die "in der Regel" festzusetzende Dauer des aufgrund einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne von § 25 I 1 StVG verwirkten Fahrverbots (OLG Bamberg ZfSch 2006, 533 ff. = DAR 2006, 515 f. = VRS 111, 62 ff. = SVR 2007, 65 f. m. Anm. Krumm = VRR 2006, 230 ff. m. Anm. Gieg).

2.

Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgesehen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betr. anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzelfall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausreichend erscheinen lassen. Hier wie dort können dabei sowohl außergewöhnliche Härten als auch eine Vielzahl minderer Erschwernisse bzw. entlastender Umstände genügen, um eine Ausnahme zu rechtfertigen (OLG Bamberg a.a.O.. m.w.N.). Auch die Frage der Dauer eines zu verhängenden Fahrverbots liegt hierbei grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Tatrichters, der innerhalb des ihm eingeräumten Bewertungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen hat. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil e...

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