Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines zweiten Rechtsanwalts nach Mandatsniederlegung des ursprünglichen Prozessbevollmächtigten wegen Interessenkollision.

 

Normenkette

ZPO §§ 85, 88, 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Beschluss vom 24.04.2023; Aktenzeichen 12 O 1032/19)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 24.04.2023, Az. 12 O 1032/19, abgeändert:

Die der Beklagten durch den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 4.168,80 EUR festgesetzt.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.084,40 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger des vor dem Landgericht Schweinfurt geführten Rechtsstreits machte mit einer Klage vom 30.12.2019 gegen die Beklagte (die Beschwerdeführerin) einen Anspruch auf Ausgleich eines von der Beklagten geführten Kapitalkontos geltend. Der Kläger wurde dabei zunächst von Rechtsanwalt A. vertreten, der seinerzeit das Anwaltsbüro B. abwickelte, nachdem der ursprüngliche Kanzleiinhaber krankheitsbedingt berufsunfähig geworden war. Das Mandat hatte Rechtsanwalt A. jedoch bereits vor der Erkrankung des Kanzleiinhabers Rechtsanwalt B. übernommen. Die Beklagte wurde durch die X. vertreten.

Mit Schreiben vom 13.08.2021 teilte Rechtsanwalt A. mit, dass das Mandat des Klägers mit dem Anwaltsbüro B. beendet sei, woraufhin sich der Kläger vorübergehend von der Rechtsanwaltskanzlei D. vertreten ließ. Mit Schreiben vom 27.08.2021 teilte die X. mit, dass sie die Beklagte nicht mehr vertrete. Ab 01.09.2021 war Rechtsanwalt A. bei der X. als Rechtsanwalt angestellt. Mit Schreiben vom 03.09.2021 zeigte Rechtsanwalt E. an, dass er die Vertretung der Beklagten übernommen habe. Am 30.11.2021 zeigte das Rechtsanwaltsbüro H. (jetzt H.) die Übernahme der Vertretung des Klägers an.

Mit Schriftsatz vom 17.11.2022 nahm der Kläger die Klage zurück, woraufhin das Landgericht den Streitwert auf 122.319,76 EUR festsetzte. Mit Beschluss vom 22.11.2022 wurden dem Kläger auf Antrag der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Daraufhin beantragte die X. die Festsetzung der Kosten ihrer gerichtlichen Vertretung. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.01.2023 setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 2.084,40 EUR fest. Mit am 25.01.2022 eingegangenem Schreiben beantragte Rechtsanwalt E. die Festsetzung weiterer 2.084,40 EUR unter Hinweis darauf, dass ein notwendiger Anwaltswechsel gegeben gewesen sei. Die Rechtspflegerin des Landgerichts wies diesen Antrag mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.04.2023 zurück, weil zwar die vormaligen Beklagtenvertreter wegen einer Interessenkollision das Mandat hätten niederlegen müssen, dies jedoch auf Umständen beruht habe, die die Partei beziehungsweise der Anwalt hätte voraussehen oder verhindern können.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 24.04.2023 Bezug genommen.

Der Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter (Rechtsanwalt E.) am 02.05.2023 zugestellt. Mit am 10.05.2023 eingegangenem Schriftsatz der X. wurde hiergegen Beschwerde eingelegt. Auf Beanstandung der Vertretungsbefugnis seitens der Rechtspflegerin wurden zunächst eine auf den 10.02.2020 und dann eine undatierte Prozessvollmacht vorgelegt, die jeweils den Betreff "wegen Beschwerde" trugen.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, bei der Mandatsübernahme durch den vormaligen Klägervertreter (Rechtsanwalt A.) sei weder voraussehbar gewesen, dass Rechtsanwalt B., bei dem Rechtsanwalt A. seinerzeit angestellt gewesen war, krankheitsbedingt seine Tätigkeit würde aufgeben müssen, noch, dass Rechtsanwalt A. aufgrund der Berufsunfähigkeit seines Arbeitgebers in die Kanzlei der vormaligen Beklagtenvertreter wechseln würde. Einen notwendigen Anwaltswechsel zu verneinen, würde einen nicht hinnehmbaren Einschnitt in die Berufsausübungsfreiheit sowohl des vormaligen Klägervertreters als auch der vormaligen Beklagtenvertreter darstellen.

Der Beschwerdegegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie sei bereits nicht fristgerecht eingelegt worden. Jedenfalls sei der Beschluss in der Sache zutreffend.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12.07.2023 nicht abgeholfen. Sie sei zwar form- und fristgerecht eingelegt worden, jedoch sei eine Abänderung aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht möglich.

Auf den Beschluss vom 12.07.2023 wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss.

Der originäre Einzelrichter des Beschwerdegerichts hat das Verfahren nach § 568 Satz 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

a) Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG in Verbindun...

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