Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit der Beschwerde im einstweiligen Anordnungsverfahren in Kindschaftssachen; Auflagen zur Mitwirkung bei Urinkontrollen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vom sorgeberechtigten Elternteil anfechtbare Entscheidung über die elterliche Sorge für ein Kind im Sinne des § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG liegt nicht vor, wenn sie sich darauf beschränkt, dem allein sorgeberechtigten Elternteil Auflagen und Gebote zu erteilen ohne Teile des Sorgerechts zu entziehen.
2. Auch bei einer Kindeswohlgefährdung gibt § 1666 BGB keine Rechtsgrundlage, körperliche Untersuchungen eines Elternteils anzuordnen.
3. Zwar ist mit der Abgabe und der Auswertung von Urinkontrollen kein körperlicher Eingriff verbunden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter ist jedoch betroffen, sollte diese mit der Maßnahme nicht einverstanden sein.
4. Die Verpflichtung zur Vornahme nicht vertretbarer Handlungen ist durch Zwangsgeld oder -haft nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO zu vollstrecken, wobei eine Androhung nicht stattfindet, § 888 Abs. 2 ZPO.
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 3; FamFG § 57
Verfahrensgang
AG Bamberg (Aktenzeichen 0207 F 1449/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Mutter M. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bamberg vom 05.01.2022, Aktenzeichen 0207 F 1449/21, wird verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss, mit welchem ihr im Verfahren der einstweiligen Anordnung Auflagen nach § 1666 Abs. 3 BGB erteilt worden sind, ohne ihr das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen.
1. Die Beschwerdeführerin ist die allein sorgeberechtigte Mutter des betroffenen Kindes K, geb. am .... Das Kind lebt in ihrer Obhut. Vom Vater des Kindes lebt sie dauerhaft getrennt. Dieser nahm zuletzt begleitete Umgänge mit dem Kind wahr.
Am 28.08.2021 gegen 0 Uhr führte die Beschwerdeführerin mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,21 Promille im Stadtgebiet von X. ein Kraftfahrzeug im Beisein des betroffenen Kindes. Die Tat wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bamberg, vom 10.11.2021 als fahrlässige Trunkenheit im Verkehr mit einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen und der Entziehung der Fahrerlaubnis mit Sperre für die Wiedererteilung von sechs Monaten Dauer geahndet.
2. Von diesem Sachverhalt hatte das Landratsamt - Jugendamt - X. am 15.10.2021 durch eine polizeiliche Mitteilung Kenntnis erlangt und nahm Kontakt zur Kindesmutter auf. Da es den Eindruck gewann, dass die Kindesmutter kein ausreichendes Problembewusstsein und keine ausreichende Bereitschaft zur Kooperation aufweise, wandte sich das Jugendamt mit Schreiben vom 14.12.2021 zur Erörterung einer Kindeswohlgefährdung an das Amtsgericht Bamberg.
Das Gericht leitete ein Verfahren der einstweiligen Anordnung ein, bestellte dem Kind eine Verfahrensbeiständin und bestimmte Termin zur Erörterung auf den 23.12.2021, 10:30 Uhr. Die Terminsladung wurde der Kindesmutter am 17.12.2021 zugestellt.
Mit Schreiben vom 20.12.2021 zeigte sich Rechtsanwalt ... als Verfahrensbevollmächtigter für die Kindesmutter an. Er bat um Akteneinsicht und teilte zum Sachverhalt mit, dass es sich beim Vorfall vom 28.08.2021 um einen einmaligen Vorgang gehandelt habe. M. habe anlässlich einer Betriebsfeier Alkohol zu sich genommen. Eine Kindeswohlgefährdung sei in keiner Weise gegeben. Die Mutter versorge ihren Sohn bestens.
Mit Verfügung vom 20.12.2021 übermittelte das Gericht dem Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter die Antragsschrift des Jugendamts, wies darauf hin, dass die Kindesmutter sich bereits im Verfahren xxx zur Durchführung von Drogen- und Alkoholscreenings zur Feststellung ihres jeweiligen Konsums verpflichtet habe und dass aufgrund der Trunkenheitsfahrt im Beisein des Kindes und fehlender Problemeinsicht nach Aktenlage Maßnahmen nach § 1666 BGB im Hinblick auf die elterliche Sorge im Raum stünden. Weiter ordnete es die Beiziehung des Verfahrens xxx an.
Mit Schreiben vom 21.12.2021 hielt der Verfahrensbevollmächtigte sein Akteneinsichtsgesuch aufrecht, beantragte die Akte des Landratsamts X. vollständig beizuziehen und nach Erhalt zu übersenden sowie angemessene Fristverlängerung und Terminsverschiebung bis nach erhaltener Akteneinsicht. Akteneinsicht in die Akte des Landratsamts sei ihm bislang nicht gewährt worden. Weiter wurde Akteneinsicht in das Verfahren xxx beantragt und mitgeteilt, dass die Kindesmutter den Termin vom 23.12.2021 nicht wahrnehmen könne, da K um 11:30 Uhr von der Schule käme und niemand ihn betreuen könne.
Mit Beschluss vom 21.12.2021 wies das Amtsgericht den Verlegungsantrag zurück unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Die Kindesmutter habe mehrere Tage Zeit gehabt, die Abholung des Kindes am Terminstag zu regeln. No...