Entscheidungsstichwort (Thema)

Rügelose Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 EuGVVO bei ausschließender Zuständigkeit nach § 23b ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b ZPO wird bei einer rügelosen Einlassung nach Art. 26 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO) verdrängt.

2. Vor einer Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG ist auch die Aktivlegitimation des Klägers dazulegen und nötigenfalls zu beweisen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 30. April 2019 - XI ZB 13/18 -, BGHZ 222, 15, Rn. 28, juris).

 

Normenkette

EUV 1215/2012 Art. 26 Abs. 1 S. 1; KapMuG § 8 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 2 Nr. 2; ZPO §§ 32b, 56, 80, 88, 438 Abs. 1

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 04.05.2021; Aktenzeichen II ZB 30/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 20. November 2018 - 5 O 2886/16 - in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 9. August 2019 teilweise abgeändert:

Die Aussetzung des Verfahrens wird

a) für die Kläger zu 1, 98, 114, 174, 203, 204, 205, 207, 208, 209, 212, 214, 215, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 252, 253, 254, 255, 256, 259 aufgehoben, soweit der Rechtsstreit im Hinblick auf Feststellungsziele ausgesetzt worden ist, die nicht Gegenstand des Teil-Musterentscheids des Senats vom 12. August 2019 - 3 Kap. 1/19 - sind,

b) für die Kläger zu 24, 49, 52, 55, 105, 137, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 146, 148, 153, 154, 158, 159, 162, 171, 192, 194, 196 und 250 aufgehoben;

insoweit (a und b) wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.494.946,69 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird für die unter 3 a) genannten Kläger im Hinblick auf die teilweise Aussetzung des Rechtsstreits und ihre Folgen zugelassen.

 

Gründe

I. Von den insgesamt noch 261 Klägern aus 31 unterschiedlichen Staaten haben 48 ihren Sitz in Deutschland und 213 außerhalb Deutschlands. Die Kläger machen als Kapitalanleger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen angeblich pflichtwidrig unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Zusammenhang mit dem sogenannten VW-Dieselskandal geltend. Gegenstand sind behauptete Schäden in VW-Stammaktien, VW-Vorzugsaktien, PSE-Vorzugsaktien, Audi-Aktien sowie Anleihen/Bonds.

1. Mit Beschluss vom 20. November 2018 (Bl. 941-970 Bd. III d. A.) hat das Landgericht Braunschweig das Verfahren gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG für 213 Kläger im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5. August 2018 - 5 OH 62/16 - eingeleitete Musterverfahren vor dem Senat (3 Kap. 1/16) ausgesetzt; für 66 dieser 213 Kläger hat es das Verfahren zudem im Hinblick auf das durch den Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2017 - 22 AR 2/17 Kap - eingeleitete Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (20 Kap. 3/17 und 4/17) ausgesetzt. Bezüglich der übrigen Kläger hat das Landgericht Braunschweig eine Entscheidung über die Aussetzung vorerst zurückgestellt.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 5. Dezember 2018 wendet sich die Beklagte gegen die Aussetzung des Verfahrens für 203 der 213 Kläger im Hinblick auf das Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig sowie gegen die Aussetzung des Verfahrens für 33 der 66 Kläger im Hinblick auf das Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Bei zahlreichen ausländischen Klägern seien die Prozessvoraussetzungen nicht gegeben oder nicht nachgewiesen, so dass die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen sei. Das Landgericht müsse die Rechts- und Parteifähigkeit prüfen und die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung der klagenden juristischen Personen könne nicht wegen vermeintlicher Heilungsmöglichkeiten dahinstehen. Zudem sei die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Klägervertreterin nicht nachgewiesen. Bei zahlreichen Klagen fehle es - soweit Anleiheschäden geltend gemacht würden - an schlüssigem Vortrag zu Kausalität und Schaden. Ferner widerspreche die Aussetzung durch das Landgericht Braunschweig in einzelnen Prozessverhältnissen der Tatsache, dass die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts zur Entscheidung über vermeintliche Schäden aus dem Erwerb von Porsche-SE-Aktien Gegenstand des Stuttgarter Musterverfahrens sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 5. Dezember 2018 (Bl. 994 f. Bd. III d. A.) und den Begründungsschriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 1005-1048 Bd. IV d. A.) Bezug genommen.

2. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9. August 2019 teilweise abgeholfen und den angefochtenen Beschluss darüber hinaus teilweise von Amts wegen berichtigt. Es hat die Aussetzung im Hinblick auf das Braunschweiger Musterverfahren für 151 der 203 von der Beschwerde umfassten Kläger vorerst aufgehoben; daneben hat es die Aussetzung im Hinblick auf das Stuttgarter Musterverfahren für alle 66 davon betroffenen Kläger aufgehoben. Das Oberlandesgericht Braunschw...

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