Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit von Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Betroffenen bei der Bußgeldbemessung im Anwendungsbereich der Bußgeldkatalogverordnung.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Anwendungsbereich der Bußgeldkatalogverordnung zwingt die Amtsaufklärungspflicht das Tatgericht nur dann dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen festzustellen, wenn in Bezug auf diese konkrete Anhaltspunkte für Besonderheiten vorliegen oder das Tatgericht ein Abweichen von der Regelgeldbuße auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen stützt.

2. Die Amtsaufklärungspflicht des Tatrichters bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse wird regelmäßig erst durch eigenen Sachvortrag des Betroffenen ausgelöst (Anschluss: KG Berlin, Beschluss vom 27. April 2020 - 3 Ws (B) 49/20, Rn. 21 ff., juris; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 27. Oktober 2020 - 1 SsBs 43/20, Ls. und Rn. 12, juris).

 

Normenkette

OWiG § 17 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Salzgitter (Entscheidung vom 24.02.2020; Aktenzeichen 1a OWi 901 Js 44934/19)

 

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Salzgitter vom 24. Februar 2020 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Amtsgericht Salzgitter hat die Betroffene mit Urteil vom 24. Februar 2020 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 66 km/h zu einer Geldbuße von 460,00 € verurteilt und daneben ein mit der Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten angeordnet.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr die Betroffene am 6. Juni 2019 um 11:20 Uhr als Führerin eines Pkw in Salzgitter die B 248 (in Höhe der Upener Kreuzung) in Richtung Seesen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist an dieser Stelle durch das jeweils beidseitig aufgestellte Verkehrszeichen 274 mit dem Zusatzzeichen 276 in einer Entfernung von 225 Metern vor der Messstelle auf 70 km/h beschränkt. Die Betroffene hätte die Geschwindigkeitsbegrenzung bei zumutbarer Sorgfalt wahrnehmen können und müssen, beachtete diese jedoch aufgrund unaufmerksamer Fahrweise nicht und wurde mit einer Geschwindigkeit von 136 km/h (141 km/h abzüglich 5 km/h Toleranz) durch eine Geschwindigkeitsmesseinrichtung des Typs TRAFFIPAX TraffiPhot S gemessen. Die im Verhandlungstermin anwesende Betroffene hat ausweislich der Urteilsgründe zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angegeben, sie sei ledig, als Pharmareferentin selbständig beruflich tätig und verfüge über ein geregeltes Einkommen. Weitere Angaben hat die Betroffene nicht gemacht.

Gegen dieses in Anwesenheit der Betroffenen und ihres bevollmächtigten Verteidigers am 24. Februar 2020 verkündete und dem Verteidiger am 4. April 2020 zugestellte Urteil hat der Verteidiger mit beim Amtsgericht am 28. Februar 2020 eingegangenem Schriftsatz vom 27. Februar 2020 Rechtsbeschwerde eingelegt. Er hat diese sogleich mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet und Rechtsbeschwerdeanträge gestellt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG als unbegründet zu verwerfen.

Der Verteidiger hat mit Gegenerklärung vom 20. Juni 2020 weiter vorgetragen.

II.

Die durch die Einzelrichterin gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragene Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthaft, fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zeigt keine Rechtsverletzung zum Nachteil der Betroffenen auf.

1.

In Bezug auf den Schuldspruch ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig in der dortigen Antragsschrift vom 29. Mai 2020 Bezug und sieht von einer weitergehenden Begründung ab.

2.

Die auf die allgemein erhobene Sachrüge hin veranlasste Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung in materiell-rechtlicher Hinsicht deckt ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf. Insbesondere gefährdet es nicht den Bestand der Rechtsfolgenentscheidung, dass das Tatgericht trotz der Höhe der verhängten Geldbuße und der geringfügigen Erhöhung der Regelgeldbuße keine konkreten Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen getroffen hat.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, weshalb sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieses von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat; insoweit ist die getroffene Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (OLG Brau...

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