Leitsatz (amtlich)
1. Der von § 57 Satz 2 FamFG verwendete Begriff der mündlichen "Erörterung" ist mit dem in § 54 Abs. 2 FamFG verwendeten Begriff der mündlichen "Verhandlung" gleichzusetzen.
2. Die mündliche Verhandlung, die die Grundlage für eine Entscheidung bildet, die nach § 57 Satz 2 FamFG der Beschwerde zugänglich ist, muss bestimmte "Qualitätsmerkmale" erfüllen. Diese ergeben sich aus dem Sinn und Zweck einer mündlichen Verhandlung, die nach allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts eine effektive Möglichkeit zur Stellungnahme zum Verfahrensgegenstand eröffnen muss. Dies setzt mindestens voraus, dass die Beteiligten ordnungsgemäß zum Termin geladen wurden und weiter, dass sie sich qualifiziert zu einem konkreten Verfahrensgegenstand äußern können. Letzteres wird es erforderlich machen, die Erörterung förmlich in dem Verfahren durchzuführen, in dem auch die einstweilige Anordnung ergeht.
3. Jedenfalls aber bedarf es in einem gemischt mündlich-schriftlichen Verfahren, in dem das Gericht die einstweilige Anordnung auf Sachvortrag und Ermittlungsergebnisse stützt, die nicht Gegenstand der mündlichen Erörterung waren, einer erneuten mündlichen Erörterung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG, bevor die Beschwerde auf der Grundlage von § 57 Satz 2 FamFG eröffnet ist (Anschluss an OLG Bamberg, Beschluss vom 1.7.2019, Az. 2 WF 140/19 - juris).
Verfahrensgang
AG Salzgitter (Aktenzeichen 32 F 3/20) |
Tenor
Das Verfahren wird zur Durchführung der mündlichen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Salzgitter zurückgegeben.
Gründe
I. Auf die Kindeswohlgefährdungsmeldung des Jugendamtes vom 20.11.2019 leitete das Amtsgericht - Familiengericht - Salzgitter zum Aktenzeichen 32 F 182/19 SO das Hauptsacheverfahren betreffend die beiden Kinder S. und M. ein und führte in diesem Verfahren mit den beteiligten Kindeseltern, dem für die Kinder bestellten Verfahrensbeistand und dem Jugendamt am 17.12.2019 einen Erörterungstermin durch.
In diesem Termin überreichte die Vertreterin des Jugendamtes zwei Entlassungsberichte der K. Kliniken vom 2.7.2019, die Kindeswohlgefährdungsmeldungen betreffend die Kinder S. und M. enthielten.
Die Familienrichterin sicherte den Beteiligten zu, eine Abschrift hiervon gemeinsam mit dem Protokoll der Sitzung an sämtliche Beteiligten zu übersenden.
Weiter setzte das Gericht die Kindeseltern im Verlaufe des Termins vom 17.12.2019 darüber in Kenntnis, dass nach dem Ergebnis der Anhörung beabsichtigt sei, im Wege der einstweiligen Anordnung zu entscheiden und die Sorge für die Kinder S. und M. dem Jugendamt Salzgitter als Vormund zu übertragen.
Im Hauptsacheverfahren solle ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit beider Elternteile eingeholt werden.
Nach diesem Termin leitete das Amtsgericht das hier gegenständliche einstweilige Anordnungsverfahren zum Aktenzeichen 32 F 3/20 EASO ein und hörte die betroffenen Kinder am 21.1.2020 persönlich an.
Mit Beschluss vom 14.2.2020 entzog das Amtsgericht - Familiengericht - Salzgitter im Wege der einstweiligen Anordnung sodann der allein sorgeberechtigten Kindesmutter vorläufig die elterliche Sorge für die Kinder S. F. R., geboren am .....2012, und M. R., geboren am ....2013, und übertrug diese dem Jugendamt Salzgitter als Vormund.
Der Beschluss ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend versehen, dass die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen mit der Beschwerde angefochten werden könne.
Gegen diese einstweilige Anordnung vom 14.2.2020 wendet sich die Kindesmutter mit ihrem als Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf.
Daraufhin hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 5.3.2020 die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Verfahren ist ohne eine inhaltliche Entscheidung des Senats zur Durchführung der mündlichen Verhandlung an das Amtsgericht zurückzugeben.
Der entsprechend der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung des Amtsgerichts als Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts - Familiengericht - Salzgitter vom 14.2.2020 bezeichnete Rechtsbehelf der Kindesmutter stellt bei zutreffender Auslegung unter den Umständen des vorliegenden Falles tatsächlich einen Antrag auf Neuentscheidung nach mündlicher Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG dar (gleichsinnig OLG Celle, Beschluss vom 2.11.2012, Az. 10 UF 269/12, Rn. 10, 12 - juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 7.12.2016, Az. 11 UF 626/16, Rn. 1 - juris).
Die Beschwerde zum Oberlandesgericht ist nicht eröffnet.
Im Grundsatz sind Entscheidungen des Familiengerichts im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 57 Satz 1 FamFG nicht anfechtbar.
§ 57 Satz 2 FamFG eröffnet die Beschwerde zum Oberlandesgericht gegen Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren nur ausnahmsweise, nämlich nur für bestimmte freiheitsentziehende Maßnahmen sowie für dort abschließend aufgezählte Verfahrensgegenstände, unter anderem den auch hier betroffenen Bereich der elterlichen Sorge, § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG.
Im zuletzt genannten Fall ist die Beschwerde jedoch nur dann gegeben, "wenn das Gericht des ersten Rec...