Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit bei ausländischer Gewinnzusage; Berufung zum OLG bei Entscheidung des AG
Normenkette
EuGVVO Art. 5 Nr. 1a; GVG § 199 Abs. 1 Nr. 1b; ZPO § 513; BGB § 661a
Verfahrensgang
AG Göttingen (Urteil vom 08.07.2004; Aktenzeichen 29 C 113/04) |
Tenor
Aufgrund der Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Göttingen vom 8.7.2004 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 5.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von 5.000 EUR mit der Begründung, diese sei dazu aufgrund einer Gewinnzusage gem. § 661a BGB verpflichtet.
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit gerügt und geltend gemacht, die Klage hätte in Österreich erhoben werden müssen. Im Übrigen hat sie vorgebracht, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da das maßgebliche Schreiben keine Gewinnzusage darstelle. Die Übersendung eines Gewinnschecks sei lediglich als unverbindliche Meinungsäußerung zu verstehen. Darüber hinaus hat sich die Beklagte auf Verjährung berufen.
Das AG Göttingen hat die Beklagte am 8.7.2004 antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, vorliegend sei die Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Verbrauchers gem. Art. 5 EuGVVO gegeben. Die Postsendung der Beklagten sei eine Gewinnzusage nach § 661a BGB. Denn die Beklagte habe den Eindruck erweckt, die Klägerin als Empfängerin habe bereits einen der in der Gewinnmitteilung aufgeführten vier Preise gewonnen und könne sich diesen nach ihrer Entscheidung frei aussuchen. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Wegen der Entscheidung sowie des zugrunde liegenden Sachvortrags der Parteien im Einzelnen einschließlich der Anträge wird auf das angefochtene Urteil sowie die Schriftsätze und deren Inhalt Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte erneut die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Sie ist der Meinung, zwischen den Parteien gebe es weder vertragliche noch quasi-vertragliche Beziehungen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf deliktische Ansprüche stützen. Die Beklagte begründete darüber hinaus ihre Auffassung, auch die Voraussetzungen des § 661a BGB seien nicht gegeben. Erneut beruft sie sich auf Verjährung.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und begründet ihre Auffassung, das AG Göttingen sei international zuständig und die von der Beklagten zugesandte Postsendung erfülle die Voraussetzungen der geltend gemachten Anspruchsgrundlage.
Wegen des zweitinstanzlichen Sachvortrags wird wiederum ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage als in Deutschland unzulässig.
1. Obwohl sich die Berufung gegen ein Urteil des AG Göttingen richtet, ist das OLG neuerdings dafür zuständig; denn die Beklagte hat ihren Sitz nicht in Deutschland (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG).
2. Die Rüge der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist entgegen der Annahme der Klägerin nicht wegen der Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO unzulässig.
Zwar kann die Berufung dieser Bestimmung zufolge nicht mit dem Argument begründet werden, das Gericht des ersten Rechtszugs habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen. § 513 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt aber nur für die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit. Dagegen kann wegen der Bedeutung der internationalen Zuständigkeit, die über das Internationale Privatrecht des Gerichtsstandes auch das anwendbare Recht steuert, das Fehlen der internationalen Zuständigkeit in der Berufungsinstanz auch dann gerügt werden, wenn das Erstgericht sie unzutreffend angenommen hat (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider = NJW 2003, 426 ff.; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 513 Anm. 8, m.w.N. aus der Rspr.).
3. Die internationale Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), die abgedruckt ist bei Zöller/Geimer (Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl. Anh. I). Die Verordnung ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 1.3.2002 in Kraft getreten (Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl. Art. 1 Rz. 1). Sie hat das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) abgelöst, das auch nach In-Kraft-Treten der ...