Leitsatz (amtlich)
1. Das Verhalten eines Dritten kann einen Anspruch aus § 642 BGB nicht begründen. Haftungsbegründend ist stets, dass der Besteller die erforderliche Mitwirkung unterlassen hat.
2. Auch wenn § 6 Nr. 6 VOB/B (2002) keine Verweisung auf § 642 BGB wie spätere Fassungen der VOB/B enthält, wonach § 642 BGB unberührt bleibt, ist § 642 BGB beim aufrechterhaltenen (ungekündigten) Vertrag neben § 6 Nr. 6 VOB/B (2002) anwendbar.
3. Für den Anspruch aus § 642 BGB gehört zur anspruchsbegründenden Kausalität die Darlegung der unterlassenen Mitwirkung und des Annahmeverzuges sowie dessen Dauer. In der Regel ist daher - wie bei § 6 Nr. 6 VOB/B - eine bauablaufbezogene Darstellung erforderlich.
4. Die Behinderung und ihre Kausalität sind gemäß § 286 ZPO nachzuweisen. Weder die Behinderung noch die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung ist daher einer schätzenden Bewertung gemäß § 287 ZPO zugänglich.
5. Der Anspruch aus § 642 BGB soll den Unternehmer dafür entschädigen, dass er während des Verzuges Arbeitskraft und Kapital bereithält und seine zeitliche Disposition durchkreuzt wird. Er hat daher Entgeltcharakter. Die Vorschriften zur Berechnung von Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB, sind auf den Anspruch aus § 642 BGB nicht anwendbar.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. April 2016 - 8 O 296/12 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage gegen die Beklagte zu 2. wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
2. Die Klage gegen den Beklagten zu 1. wird abgewiesen.
II. Die Berufung hinsichtlich des Beklagten zu 1. wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. erster und zweiter Instanz.
Die Kostenentscheidung im Übrigen bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf die Wertstufe bis 140.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagten im Rahmen des Ausbaus der Kreisstraße X in der Ortsdurchfahrt W. auf Schadenersatz wegen Bauzeitverzögerungen in Anspruch.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (LGU, Seite 3 bis 9, Bl. 434 bis 440 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen. Der Klägerin stünden weder gegen den Beklagten zu 1. noch gegen die Beklagte zu 2. Ansprüche wegen einer eventuellen Bauzeitverzögerung im Zusammenhang mit den von der Klägerin ausgeführten Kanal- und Straßenbauarbeiten zu. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
Die Voraussetzungen der §§ 2 Nr. 5, 2 Nr. 6, 6 Nr. 6 VOB/B für einen Mehrvergütungsanspruch lägen nicht vor. Auch ein Entschädigungsanspruch der Klägerin gemäß § 642 BGB bestehe nicht. Die Klage sei unschlüssig. Schon der Vortrag der Klägerin zu den Ursachen der veränderten Verlegung der Rohrleitungstrasse, welche sich an den Schacht RAP 23 anschließe, und die darauf beruhende Verlegung der Versorgungsleitungen in diesem Bereich zeichne sich durch eine gewisse Wechselhaftigkeit und Widersprüchlichkeit aus. Zunächst sei die Planänderung von der Klägerin damit begründet worden, dass ein im Schachtbereich stehender Baum auf Anordnung der Beklagten nicht habe gefällt werden dürfen, sondern habe erhalten werden sollen. Sodann sei der gegenüber der Bauplanung veränderte Standort des Schachtes auf eine Änderung der Ausführung dieses Schachtes zurückgeführt worden. Schließlich habe die Klägerin vorgetragen, dass der jetzige Standort des Schachtes gemeinsam mit den Beklagten ausgewählt worden sei. Der von den Beklagten geplante Verlauf der Rohrleitungstrasse, die an den Schacht RAP 23 anschließe, sei ursächlich für die Kollision mit den Versorgungsleitungen in diesem Bereich gewesen. Die Klägerin habe schon nicht substantiiert dargelegt, wann und mit wem der Standort des Schachtes RAP 23 gemeinsam festgelegt worden sei.
Der Vortrag der Klägerin sei auch aus anderen Gründen unschlüssig.
Zwar sei ein Entschädigungsanspruch nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die vertraglich vereinbarte Bauzeit eingehalten worden sei. Die Klägerin habe aber nicht dargelegt, dass sie die behauptete Bauzeitverzögerung durch einen verstärkten Einsatz von Personal und Material habe ausgleichen müssen, so dass ihr insoweit Mehraufwendungen entstanden seien. Vielmehr habe sie eingeräumt, die Arbeiten nach der Umlegung der Versorgungsleitungen mit der ursprünglich vorgesehenen Anzahl von Arbeitern fortgesetzt zu haben.
Es fehle auch an hinreichend substantiiertem Sachvortrag der Klägerin zu den (weiter...