Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 26.04.2007; Aktenzeichen 4 O 3529/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.10.2009; Aktenzeichen VI ZR 24/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Braunschweig vom 26.4.2007 - 4 O 3529/04 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird - insgesamt - abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 167.980,79 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Haftpflichtversicherin des Gynäkologen Dr. B Gesamtschuldnerausgleichsansprüche geltend, und zwar nunmehr im Wege der abgesonderten Befriedigung gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Klinik Dr. B GmbH, der früheren beklagten Belegklinik (Insolvenzschuldnerin).

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 - 9 = Bl. 319-326 d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Der Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich ergebe sich daraus, dass auch der Insolvenzschuldnerin vorzuwerfen sei, durch ein schuldhaftes Fehlverhalten mit zu den gesundheitlichen Schäden der Frau Narin A und des Kindes Hümeyra A beigetragen zu haben.

Zwar sei die fehlerhafte Gabe des Medikamentes Isoptin nicht der Insolvenzschuldnerin anzulasten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei offen geblieben, ob die Hebamme E ohne ärztliche Weisung des Dr. B von sich aus den Isoptin-Tropf gelegt habe.

Der Insolvenzschuldnerin sei jedoch vorzuwerfen, durch die Vereinbarung mit dem Anästhesisten N, wonach dieser während der Bereitschaft 45 Minuten nach seiner Alarmierung in der Klinik einzutreffen habe, zu der Verzögerung der Schnittentbindung schuldhaft mit beigetragen zu haben. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass die als Standard einzuhaltende Zeitspanne zwischen der Entscheidung zur Notsectio und der Entwicklung des Kindes (EE-Zeit) nur 20 bis maximal 30 Minuten betragen dürfe. Diese Zeit sei vorliegend um mehr als das Doppelte überschritten worden. Wenn das Belegkrankenhaus der Insolvenzschuldnerin über keinen eigenen angestellten Anästhesisten verfügte, hätte es sicherstellen müssen, dass ein externer Anästhesist in der Lage gewesen wäre, das Krankenhaus in Notfällen rechtzeitig zu erreichen. Ein Belegkrankenhaus, in welchem regelmäßig durch Belegärzte Geburten durchgeführt würden und welches über keinen eigenen angestellten Anästhesisten verfüge, müsse organisatorisch sicherstellen, dass auch Notfallschnittentbindungen dem ärztlichen Standard entsprechend durchgeführt werden könnten.

Das Versäumnis der Insolvenzschuldnerin, hierfür zu sorgen, habe zu der Schädigung des Kindes wegen Nichteinhaltung der EE-Zeit beigetragen. Aufgrund der Prozentangabe des Sachverständigen von 99,9 stehe fest, dass der Schaden des Kindes auf eine Sauerstoffunterversorgung zurückzuführen sei. Zwar stehe nicht positiv fest, dass diese hirnschädigende Sauerstoffunterversorgung in der der Insolvenzschuldnerin anzulastenden Zeit der Verzögerung der Geburt eingetreten sei. Nach den Ausführungen der Sachverständigen sei die Verzögerung dafür jedoch geeignet gewesen. Zu Gunsten der Klägerin greife die Beweislastumkehr, da die Verzögerung der Schnittentbindung einen groben Behandlungsfehler darstelle. Die Verzögerung sei nach den Ausführungen des Sachverständigen völlig unverständlich.

Den Anspruch der Klägerin hat das LG - abstellend auf die Kenntnis der Geschädigten vom Gutachten des Sachverständigen vom 9.12.2001 in dem von den Geschädigten geführten Ausgangsrechtstreit (LG Braunschweig 4 O 2113/00) und unter Einräumung einer Überlegungsfrist - nicht als verjährt angesehen.

Die Haftungsquote unter den Gesamtschuldnern im Verhältnis zwischen Dr. B und der Insolvenzschuldnerin hat das LG mit 75:25 festgesetzt. Die schadensverursachenden Beiträge des Dr. B seien deutlich überwiegend (trotz schlechten CTGs ab 9.15 Uhr bei der Visite um 11:00 Uhr kein mütterliches Blutbild bestimmt, keine Mikroblutuntersuchung des Kindes vorgenommen, alternativ keine Schnittentbindung sogleich vorgenommen, nicht einmal CTG-Kurve angesehen, Zeitverlust ab 14:10 Uhr trotz der schlechteren CTGs und des Blutdruckabfalls der Mutter, vorhersehbar zu lange Zeit bis zum Erscheinen des Anästhesisten, danach unverständlich weiteres Zuwarten von 20 Minuten bis Beginn des Kaiserschnitts). Demgegenüber sei die Nichteinhaltung der für Notfälle erforderlichen EE-Zeit zwar der Insolvenzschuldnerin als Organisationsverschulden anzulasten, allerdings auch ...

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