Leitsatz (amtlich)

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Zivilverfahrens für den Fall, dass der EuGH für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch dieses Urteil festgestellt hat, ist unstatthaft; eine analoge Anwendung von § 580 Nr. 7b ZPO kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 580 Nr. 7b, §§ 584, 589; EMRK Art. 5, 8, 13, 41, 46; StPO § 359 Nr. 6

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 17.10.2005 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der zulässige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO. Die angekündigte Wiederaufnahmeklage ist mangels Vorliegens eines Restitutionsgrundes unzulässig.

I. Die am 1958 geborene Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine gegen die Antragsgegnerin, eine psychiatrische Kilinik, gerichtete Wiederaufnahmeklage, mit der die Antragstellerin Schadensersatz wegen einer behaupteten zwangsweisen stationären Behandlung in der Zeit vom 29.7.1977 bis 5.4.1979 verlangt.

Die Antragstellerin wurde, nachdem sie sich bereits zuvor in kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung befunden hatte, auf Betreiben ihres Vaters am 29.7.1977 in der Klinik der Antragsgegnerin vorgestellt und wegen einer diagnostizierten hebephrenen Schizophrenie in der geschlossenen Station der Klinik untergebracht. Die seinerzeit bereits volljährige Antragstellerin war nicht entmündigt und hatte zu keiner Zeit eine Einverständniserklärung in die Unterbringung unterzeichnet. Es gab auch keine Gerichtsentscheidung, durch die ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus genehmigt worden wäre. Die Antragstellerin wurde in der Klinik mit starken Medikamenten, u.a. mit Neuroleptika, behandelt. Sie versuchte mehrfach zu fliehen. Nach einem Fluchtversuch am 4.3.1979 wurde sie von der Polizei gewaltsam in die Klinik zurück gebracht. Soziale Kontakte zu Personen außerhalb der Klinik konnte die Antragstellerin nicht pflegen. Vom 5.4.1979 bis zum 21.5.1980 war die Antragstellerin in einem psychiatrischen Krankenhaus in Gießen, in der Zeit vom 21.1. bis 20.4.1981 erneut in der Klinik der Antragsgegnerin untergebracht. Die Antragstellerin konnte zu dieser Zeit nicht mehr sprechen und zeigte der Diagnose der Ärzte zu Folge Zeichen von Autismus. Nach diversen weiteren Klinikaufenthalten wurden auf Ersuchen der Antragstellerin in den Jahren 1994 und 1999 kinder- und jugendpsychiatrische Gutachten erstellt, nach deren Ergebnis bei der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorgelegen hat.

Im Jahre 1997 erhob die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin vor dem LG Bremen Klage auf materiellen und immateriellen Schadensersatz, weil die Unterbringung in der Zeit vom 29.7.1977 bis 5.4.1979 und vom 21.1.1981 bis 20.4.1981 rechtswidrig und die medizinische, insb. die medikamentöse Behandlung wegen der bei ihr, der Antragstellerin, vorliegenden Poliomyelitis kontraindiziert gewesen sei. Die mit der Zwangseinweisung verbundene medizinische Behandlung habe sowohl ihre physische als auch ihre psychische Gesundheit zerstört. Durch Grundurteil vom 9.7.1998 gab das LG Bremen der Klage dem Grunde nach statt. Nach Auffassung des LG ist die Unterbringung für beide Zeiträume mangels wirksamer Einwilligung und fehlender gerichtlicher Anordnung rechtswidrig gewesen. Ansprüche der Antragstellerin seien auch nicht gem. § 852 BGB a.F. verjährt.

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wies der 3. Zivilsenat des OLG Bremen durch Urteil vom 22.10.2000 unter Abänderung des Urteils des LG Bremen die Klage ab. Nach Auffassung des OLG waren deliktische Schadensersatzansprüche bereits verjährt. Vertragliche Schadensersatzansprüche wegen der medizinischen Behandlung bestünden ebenfalls nicht. Die Unterbringung sei rechtmäßig erfolgt. Die Antragstellerin habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass sie sich gegen ihre Unterbringung zur Wehr gesetzt habe. Es könne deshalb angenommen werden, dass ein Behandlungsvertrag konkludent zustande gekommen sei. Dieser Vertrag sei auch nicht durch die Fluchtversuche der Antragstellerin beendet worden, da die Antragsgegnerin wegen der schweren Krankheit und Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin mit der Fortsetzung des Klinikaufenthaltes nur ihrer Fürsorgepflicht entsprochen habe. Die medizinische und medikamentöse Behandlung der Antragstellerin hat das OLG nach Einholung eines kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigengutachtens als nicht fehlerhaft angesehen.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Antragstellerin ist vom BGH durch Beschluss vom 15.1.2002 nicht angenommen worden. Mit Beschluss vom 6.3.2002 lehnte das BVerfG die Annahme der gegen die Abweisung der Klage gerichteten Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin ab.

Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 16.6.2005 stellte ...

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