Leitsatz (amtlich)

Die Mitwirkung eines Richters an der Entscheidung eines Vorprozesses begründet keine Besorgnis der Befangenheit, wenn die im Vorprozess unterliegende Partei Ansprüche gegen einen Rechtsanwalt wegen behaupteter Fehler in dem Vorprozess geltend macht.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Beschluss vom 11.06.2008; Aktenzeichen 3 O 2382/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Bremen vom 11.6.2008 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.4.2008 beim LG B. beantragt, VRLG B. im vorliegenden Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Gegenstand dieses Verfahrens ist ein Regressanspruch gegen einen Rechtsanwalt, dem ein Fehler in einem Vorprozess vorgeworfen wird. An der Entscheidung in dem Vorprozess hat VRLG B. mitgewirkt. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Mitwirkung im Vorprozess eine Befangenheit begründet.

Durch Beschluss vom 11.6.2008 hat das LG das Befangenheitsgesuch des Klägers zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9.7.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die gem. § 46 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters i.S.v. § 42 Abs. 2 ZPO ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Dabei muss es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge scheiden als Ablehnungsgrund aus. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG NJW 1993, 2230 m.w.N.; BGH, NJW-RR 03 1220, st. Rspr.). Ein solcher Grund liegt hier nicht vor.

Nach überwiegender Ansicht begründet die Mitwirkung des Richters an der Entscheidung eines Vorprozesses keine Besorgnis der Befangenheit im Regressprozess (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 42 Rz. 16; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 13; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 42 Rz. 25; Müko/Feiber, ZPO, 2. Aufl., Bd. 1, § 42 Rz. 14 ff., 16 m.w.N.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1763 ff.; BayOlG WuM 99, 186; a.A. Musielak/Heinrich, ZPO, 6. Aufl., § 42 Rz. 14; LG Darmstadt NJW-RR 1999, 289 ff.). In diesen Fällen müssten vielmehr über die Tatsache der früheren dienstlichen Beschäftigung mit demselben Sachverhalt zusätzliche konkrete Umstände vorliegen, die bei dem Ablehnenden die Besorgnis rechtfertigen können, dass der abgelehnte Richter durch seine frühere Stellungnahme an einer unparteiischen sachlichen Rechtsfindung in der nun zu entscheidenden neuen Sache behindert werde (OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.). Der Senat schließt sich der herrschenden Ansicht an. Zu Recht verweist das OLG Düsseldorf darauf, dass bereits das Gesetz richterliche Vorbefassung vorsieht. Derselbe Richter befindet über Prozesskostenhilfe, Einstellungsantrag und Hauptsache, im Urkunden- und Nachverfahren etc. Das Gesetz setzt es in diesen Fällen als selbstverständlich voraus, dass der Richter bei der jeweils erneuten Behandlung der Sache unbefangen seine frühere Meinung überprüft. Auch dort kann es notwendig sein, einen eingenommenen Rechtsstandpunkt aufzugeben. Nichts anderes wird im Regressprozess von dem Richter verlangt, der im Vorprozess tätig war. Es liegt auch keine § 41 Nr. 6 ZPO vergleichbare Situation vor, denn der Regressprozess dient nicht der sachlichen Überprüfung des gerichtlichen Verfahrens und der hierauf ergangenen Entscheidung durch ein übergeordnetes Gericht, sondern der Feststellung etwaiger anwaltlicher Versäumnisse und ihrer Auswirkungen auf die Vermögenslage des Vertretenen (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Zusätzliche konkrete Umstände, aus denen sich ergibt, dass der abgelehnte Richter nicht bereit ist, seine früher geäußerte Meinung kritisch -auch selbstkritisch- zu überprüfen, sind nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger darüber hinaus die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, wäre eine etwaige Verletzung jedenfalls im Beschwerdeverfahren geheilt (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 46 Rz. 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2054631

OLGR-Nord 2009, 158

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge