Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftspflicht der Amtsvormundschaft über die persönlichen Verhältnisse des Mündels gegenüber einem Elternteil des Mündels
Leitsatz (amtlich)
1. In Anlehnung an das Auskunftsrecht des Elternteils, bei dem das Kind nicht lebt, gegenüber dem (anderen) Elternteil über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, hat auch der Ergänzungspfleger bei einem berechtigten Interesse eines nahestehenden Angehörigen oder einer sonstigen Vertrauensperson, die die Entwicklung des Mündels verfolgen will, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Mündels zu erteilen, soweit dies dem Wohl des Mündels nicht widerspricht.
2. Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der Auskunftsberechtigte keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich einen Überblick über die Entwicklung und das Befinden des Kindes zu verschaffen.
3. Der Umfang der Informationen, die der Auskunftsberechtigte beanspruchen kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dabei muss die Auskunftserteilung dem Vormund bzw. Pfleger zuzumuten sein. Unzumutbar wird sie insbesondere sein, wenn die Auskunft übermäßig oft oder übermäßig detailliert verlangt wird.
Normenkette
BGB §§ 1686, 1686, 1790 Abs. 4, § 1813 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bremen (Aktenzeichen 66 F 4027/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Amtes für soziale Dienste - Fachdienst Amtsvormundschaft - wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 20.2.2023 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antrag des Kindesvaters auf Auskunft über das Kind Y, geb. am [...] 2015, wird zurückgewiesen.
Dem Jugendamt Bremen - Fachdienst Amtsvormundschaft - wird auferlegt, dem Kindesvater über das minderjährige Kind X, geboren am [...] 2016, halbjährlich jeweils zum 1. März und 1. September eines jeden Jahres, erstmals zum 1. März 2024, wie folgt Auskunft zu erteilen:
- über die jeweils aktuelle Anschrift
- über Name und Art der Krankenversicherung
- über die aktuelle gesundheitliche Situation
- über den Impfstatus
- über die aktuelle schulische Situation unter Übersendung des Halbjahres-bzw. des Schuljahreszeugnisses
- über soziale Kontakte, insbesondere über Kontakte zwischen X und seinem Bruder Y
- über besondere und außerordentliche Vorkommnisse, z.B. Unfälle
Jeder Auskunft sind jeweils zwei aktuelle Fotografien von X beizufügen.
Die zum 1. März 2024 zu erteilende Auskunft hat den Zeitraum ab November 2022 zu berücksichtigen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im vorliegenden Verfahren geht es um das Auskunftsrecht des Kindesvaters für seine beiden Söhne Y, geboren am 10.7.2015, und X, geboren am 22.9.2016.
Aus der früheren nichtehelichen Beziehung der Kindeseltern stammen die beiden Kinder Y, geboren am [...] 2015, und X, geboren am [...] 2016. Der Kindesvater hat für beide Kinder die Vaterschaft urkundlich anerkannt. Für Y hatten die Kindeseltern eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben, für X war die Kindesmutter allein sorgeberechtigt. Mit Beschluss vom 29.11.2017 (66 F 2642/17 SO) hat das Amtsgericht Bremen der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen für X entzogen. Ferner hat es die gleichen Bestandteile der elterlichen Sorge den beiden Kindeseltern im Hinblick auf Y entzogen und das Jugendamt Bremen für beide Kinder zum Ergänzungspfleger bestellt. Beide Kinder sind fremdplatziert.
Mit Schriftsatz vom 11.11.2022 hat der Kindesvater beim Amtsgericht Bremen beantragt, das Jugendamt Bremen - Fachdienst Amtsvormundschaft - als bestellten Ergänzungspfleger gem. § 1686 BGB zur Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse der beiden Kinder zu verpflichten. Wegen der Einzelheiten des Antrags wird auf den Schriftsatz vom 11.11.2022 Bezug genommen.
Der Ergänzungspfleger hat erstinstanzlich schriftsätzlich nicht Stellung genommen.
Mit Beschluss vom 20.2.2023 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts den Ergänzungspfleger im Hinblick auf beide Kinder zu einer umfangreichen Auskunftserteilung verpflichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschlusstenor Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich das Jugendamt - Fachdienst Amtsvormundschaft -, dem der Beschluss vom 20.2.2023 am 21.2.2023 zugestellt worden ist, mit der am 17.3.2023 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde.
Zur Begründung des Rechtsmittels führt der Beschwerdeführer aus, der angefochtene Beschluss sei im Hinblick auf Y bereits deswegen aufzuheben, weil Y seit 2021 nicht mehr im Bezirk des Amtsgerichts B. lebe und das Amtsgericht B. daher für den geltend gemachten Auskunftsanspruch örtlich nicht zuständig sei. Eine Auskunftspflicht für Y bestehe außerdem bereits deswegen nicht mehr, weil Ergänzungspfleger - insoweit unstreitig - inzwischen der Landkreis F. sei.
Für X werde eine Auskunft nicht in dem de...