Entscheidungsstichwort (Thema)

Unstatthaftigkeit der Untätigkeitsbeschwerde nach gesetzlicher Einführung der Verzögerungsrüge

 

Leitsatz (amtlich)

Seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die richterrechtlich entwickelte Untätigkeitsbeschwerde auch in Umgangverfahren unstatthaft.

 

Normenkette

GVG § 198; FamFG § 21 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Aktenzeichen 70 F 1490/12)

 

Tenor

Die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers vom 1.10.2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Aus der im Jahre 2007 geschiedenen Ehe des Antragstellers mit der Antragsgegnerin sind die Kinder [...] hervorgegangen. Mit Beschluss vom 1.9.2010 hat das AG Gießen das alleinige Sorgerecht für die beiden minderjährigen Kinder der Kindesmutter übertragen. Die hiergegen vom Antragsteller eingelegte Beschwerde ist mit Beschluss des OLG Frankfurt vom 6.1.2011 als unbegründet zurückgewiesen worden. Im Sommer 2011 ist die Antragsgegnerin mit beiden Kindern aus dem Raum Gießen nach Bremen verzogen. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 31.8.2011 die Übertragung der elterlichen Sorge für beide Kinder auf ihn allein beantragt. Hilfsweise hat er beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Regelung der gesundheitlichen Angelegenheiten und das Recht zur Wahrnehmung der schulischen Angelegenheiten für beide Kinder zu übertragen. Er hat seine Anträge insbesondere damit begründet, dass die Antragsgegnerin durch den Wegzug aus dem Raum Gießen den Umgang zwischen ihm und den Kindern gänzlich unterbinden wolle und dies dem Kindeswohl widerspreche. Nach Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf ihn wolle er die Kinder wieder nach Gießen zurückholen. Das AG - Familiengericht - Bremen hat einen Verfahrensbeistand bestellt und am 27.9.2011 eine Anhörung der Kindeseltern unter Beteiligung des Verfahrensbeistandes und eines Mitarbeiters des Jugendamtes durchgeführt. In der Anhörung hat der Antragsteller seine Anträge vom 31.8.2011 zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 24.4.2012 hat der Antragsteller drei den Umgang und die elterliche Sorge betreffende Anträge beim AG - Familiengericht - Bremen gestellt:

1. im Wege der einstweiligen Anordnung einen Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis Umgang zu bestimmen, der Art und Weise des Umgangs des Antragstellers mit seinen Kindern regelt,

2. die Berechtigung des Antragstellers, seine beiden Kinder am jeweils 2. sowie 4. Wochenende eines Monats sowie während der Hälfte der Schulferien zu sich zu nehmen, festzustellen,

3. der Antragsgegnerin aufzugeben, für beide Kinder griechische Reisepässe anfertigen zu lassen.

Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung der Anträge und einen Umgangsausschluss zwischen dem Kindesvater und den Kindern von 2 Jahren beantragt.

Die drei Anträge wurden in getrennten Verfahren erfasst. So erhielt der Antrag zu 1. die Geschäftsnummer 70 F 1488/12 und wurde vom AG mit Beschluss vom 7.6.2012 beschieden. Der Antrag zu 2. wird unter der Geschäftsnummer 70 F 1489/12 UG geführt, während der Antrag zu 3., um den es im vorliegenden Verfahren geht, unter der Geschäftsnummer 70 F 1490/12 SO beim AG erfasst und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt worden ist (vgl. auch Beschluss des Senats vom heutigen Tage zu Geschäftsnummer 4 WF 136/12 zum amtsgerichtlichen Verfahren 70 F 1489/12).

Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller am 24.7.2012 ein Befangenheitsgesuch gegen die zuständige Amtsrichterin eingereicht, die hierzu mit dienstlicher Äußerung vom 26.8.2012 Stellung genommen hat. Eine Entscheidung über das Befangenheitsgesuch findet sich nicht in der Akte. Mit Schreiben vom 1.10.2012 hat der Antragsteller eine Untätigkeitsbeschwerde eingelegt.

II. Die Untätigkeitsbeschwerde ist bereits unzulässig und war dementsprechend zu verwerfen.

Spätestens seit dem Inkraftreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren am 3.12.2011 ist eine Untätigkeitsbeschwerde nicht mehr statthaft. Ob sie zuvor statthaft war (vgl. zum Streitstand OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1161 Tz. 4 sowie Beschluss des Senats vom 14.11.2011 - 4 WF 183/11), kann angesichts der im vorliegenden Verfahren erfolgten Verfahrenseinleitung und Antragstellung nach dem 3.12.2011 dahinstehen.

Da sich der Gesetzgeber gegen die Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde entschieden und sich auf die durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (BT-Drucks. 17/3802) eingeführten Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt hat, fehlt es seit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes an einer Regelungslücke, die durch die richterrechtlich entwickelte Untätigkeitsbeschwerde geschlossen werden könnte bzw. müsste (so auch OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1076; OLG Bremen, Beschl. v. 6.2.2012 - 5 WF 19/12 sowie implizit Besch...

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