Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilrecht Europarecht Energierecht Öffentliches Recht
Tenor
Der Rechtsstreit wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchstabe b und c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (ABl. L 175/157) dahin auszulegen, dass die unterbliebene rechtzeitige und direkte Information der Gaskunden über Voraussetzungen, Anlass und Umfang einer bevorstehenden Tarifänderung für Gaslieferungen der Wirksamkeit einer solchen Tarifänderung entgegensteht?
2. Falls diese Frage bejaht wird:
Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchstabe b und c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG gegenüber einem privatrechtlich (als deutsche GmbH) organisierten Versorgungsunternehmen seit dem 1.7.2004 unmittelbar anwendbar, weil die genannten Bestimmungen dieser Richtlinie inhaltlich unbedingt und damit ohne weiteren Umsetzungsakt anwendungsfähig sind und dem Bürger Rechte gegenüber einer Organisation einräumen, die trotz ihrer privaten Rechtsform dem Staat untersteht, weil dieser alleiniger Anteilseigner des Unternehmens ist?
Gründe
A)
Die Klägerin, ein in der Rechtsform der GmbH organisiertes kommunales Dienstleistungsunternehmen, belieferte den Beklagten als ihren Tarifkunden im Rahmen der Grundversorgung für eine Immobilie in Delmenhorst u.a. mit Erdgas und macht für den Zeitraum 31.01.2005 bis 28.08.2012 Zahlungsrückstände in Höhe von EUR 5.350,80 geltend. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von der Klägerin seit 01.10.2004 einseitig vorgenommenen Gaspreiserhöhungen, denen der Beklagte widersprochen hat. Die jeweiligen Preiserhöhungen wurden in der Tageszeitung veröffentlicht. Eine direkte schriftliche Information der einzelnen Tarifkunden erfolgte jedoch nicht.
Das Landgericht Bremen hat mit Urteil vom 02.09.2016 die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin zu den im relevanten Zeitraum vorgenommenen Gaspreiserhöhungen nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe, ob und ggf. in welchem Umfang diese auf einer Steigerung ihrer eigenen Bezugskosten beruht hätten, welche auch durch Kostensenkungen in anderen Bereichen nicht hätten ausgeglichen werden können; ferner ob sie Kostensenkungen ebenso berücksichtigt habe wie Kostensteigerungen. Dies sei aber erforderlich gewesen, nachdem auf Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 23.10.2014 in den Rechtssachen C-359/11 und C-400/11 (NJW 2015, 849 = EuZw 2015, 108) der Bundesgerichtshof entschieden habe, dass die nach deutschem Recht einschlägigen §§ 4 Abs. 1 AVBGasV, 5 Abs. 2 GasGVV zwar nicht mehr anzuwenden seien, diese Rechtslage sich aber auf Grund einer ergänzenden Vertragsauslegung ergebe (vgl. u.a. BGH, Urteile vom 28.10.2015, Az. VIII ZR 158/11 - BGHZ 207, 209-246 - und Az. VIII ZR 13/12 - MDR 2015, 1350-1352 sowie BGH, Urteil vom 06.04.2016, Az. VIII ZR 236/10 - NJW-RR 2016, 1190).
Gegen dieses Urteil wendet die Klägerin sich mit ihrer Berufung, über die der Senat zu entscheiden hat.
Die Klägerin, die ihre erstinstanzlich geltend gemachte Klagforderung von 5.350,80 EUR zzgl. gesetzlicher Zinsen seit dem 03.05.2010 weiterverfolgt, vertritt die Auffassung, ihrer Darlegungslast hinsichtlich der Berechtigung ihrer Preiserhöhungen hinreichend nachgekommen zu sein und trägt hierzu ergänzend vor.
13 Der Beklagte, der das Urteil im Übrigen verteidigt, meint u.a., die Preiserhöhungen seien bereits deshalb unwirksam, weil eine ergänzende Vertragsauslegung, wie der Bundesgerichtshof sie vorgenommen habe, zu Lasten der Verbraucher nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 23.10.2014 nicht in Betracht kommen könne. Außerdem sei eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und. zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG im vorliegenden Fall angezeigt, weil die Klägerin als Kommunalunternehmen staatlicher Aufsicht unterstehe.
B)
Der Erfolg der Berufung hängt von der Auslegung des Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchstabe b und c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (im Folgenden: Gas-Richtlinie 2003/55/EG) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel setzt der Senat deshalb das Verfahren aus, um gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
I.
17 Nach Rechtsansicht des Senates hat die Klägerin jedenfalls im Hinblick aur Teile der Klagforderung hinreichend substantiiert zu ...