Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung eines Darlehensvertrages zur ehebedingten Zuwendung
Leitsatz (amtlich)
Stellt ein Ehegatte dem anderen Ehegatten die Mittel zur Finanzierung des hälftigen Miteigentumsanteils an einem gemeinsamen erworbenen Hausgrundstück zur Verfügung und schließen die Ehegatten hierzu einen schriftlichen Darlehensvertrag, so lässt dies in der Regel auch dann darauf schließen, dass es sich nicht um eine ehebedingte Zuwendung, sondern um einen zwischen den Ehegatten vereinbarten Darlehensvertrag handelt, wenn in der Vertragsurkunde keine Darlehenslaufzeit und keine monatliche Ratenzahlungsverpflichtungen des Darlehensnehmers vereinbart sind.
Normenkette
BGB § 313 Abs. 1, § 488 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
AG Bremen (Aktenzeichen 60 F 1220/22) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 15.7.2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 362.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.10.2021 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller 23 %, die Antragsgegnerin trägt 77 %.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller 22 %, die Antragsgegnerin trägt 78 %.
IV. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 466.318,16 EUR festgesetzt.
V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Darlehensrückzahlung in Anspruch.
Die Beteiligten, die am [...] 2006 die Ehe miteinander geschlossen haben, leben seit [...] 2020 voneinander getrennt. Am 31.3.2009 vereinbarten die Beteiligten einen Ehevertrag (UR-Nr. [...]) und schlossen dabei unter anderem für den Fall der Scheidung den Zugewinnausgleich aus.
Am 4.10.2011 erwarben die Beteiligten eine in [...], belegene Immobilie zu einem Kaufpreis von 725.000 EUR zu jeweils hälftigem Miteigentum. Am 26.10.2011 unterzeichneten sie eine mit "Darlehensvertrag" überschriebene Vereinbarung. In dieser Vereinbarung heißt es unter Ziff. 2:
"Die Mittel zum Erwerb und zur Renovierung des auf den Anteil der Darlehensnehmerin entfallenden Teils des Kaufpreises und der Renovierungskosten erhält die Darlehensnehmerin vom Darlehensgeber als Darlehen."
In Ziff. 3 wird folgendes geregelt:
"Zum heutigen Tag beträgt die Darlehenssumme die Hälfte aus dem Kaufpreis in Höhe von EUR 725.000,- zzgl. EUR 10.000,- Maklercourtage = EUR 367.500,-
Für die Renovierungskosten und weitere mit dem Erwerb verbundenen Kosten wird die Darlehenssumme zu einem späteren Zeitpunkt aktualisiert."
In Ziff. 4 heißt es:
"Das Darlehen wird ausgezahlt, indem der Darlehensgeber den Kaufpreis an den Verkäufer des o.g. Grundstücks vollständig auch für den Anteil der Darlehensnehmerin bezahlt und die Baukosten vollständig auch für den Anteil der Darlehensnehmerin übernimmt."
Ziff. 5 sieht folgendes vor:
"Das Darlehen entfällt, wenn der Darlehensgeber im Falle einer rechtskräftigen Scheidung von der Darlehensnehmerin deren hälftigen Anteil an dem bezeichneten Grundstück unentgeltlich zurückerhält. In diesem Fall sind alle Tilgungsleistungen, welche die Darlehensnehmerin an den Darlehensgeber erbracht hat, von diesem zurückzuzahlen."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Vertragsurkunde (Bl. 8 der Akte) verwiesen.
Der Antragsteller hat den Kaufpreis für das Grundstück an die Verkäufer gezahlt.
Er hat behauptet, auch die Maklercourtage und näher bezeichnete Renovierungskosten für das Grundstück gezahlt zu haben.
Mit Schreiben vom 9.7.2021 (Bl. 9 der Akte) kündigte der Antragsteller das Darlehen zum 15.10.2021. Die Darlehenssumme bezifferte er auf insgesamt 471.318,16 EUR (vgl. Bl. 7 der Akte).
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an den Antragsteller 471.318,16 EUR nebst 5 % über dem Basiszinssatz jährlich ab dem 16.10.2021 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag des Antragstellers abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass es sich nicht um einen Darlehensvertrag handele, sondern um eine teilweise Abänderung des zwischen den Beteiligten im Jahre 2009 geschlossenen Ehevertrags. Es handele sich der Sache nach um eine güterrechtliche Regelung, die wegen Nichteinhaltung der Formvorschrift des § 1410 BGB nichtig sei. Außerdem enthalte der Vertrag eine Verpflichtung zur Übertragung von Eigentumsrechten an einer Immobilie und sei deswegen auch wegen Nichteinhaltung der Form des § 311b BGB nichtig. Ferner hat die Antragsgegnerin Verwirkung eingewendet, weil der Antragsteller auf ein Akteneinsichtsgesuch der Antragsgegnerin in einem abgeschlossenen, gegen den Antragsteller geführten Strafverfahren mit der unwahren Behauptung, er, der Antragsteller, habe in keinem Verfahren Verwirkung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht, reagiert habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.7.2022 hat...