Leitsatz (amtlich)
1. Es verstößt nicht gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. § 3 UWG, wenn eine überörtliche Anwaltssozietät im Rechtsverkehr, insb. auf Briefbögen und in Broschüren sowie bei Internetauftritten, zusätzlich zu dem Begriff "Rechtsanwälte" auch den Begriff "Fachanwälte" verwendet, selbst wenn nicht an jedem Standort der Sozietät ein Fachanwalt tätig ist. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass für jedes einzelne Mitglied der Sozietät jeweils ausgewiesen ist, ob es zusätzlich Fachanwalt für ein bestimmtes Gebiet und an welchem Standort es tätig ist.
2. Die Verwendung des Begriffs "Fachanwälte" auf dem Kanzleischild eines Standorts einer überörtlichen Sozietät ist dann irreführend, wenn an diesem Standort kein Fachanwalt tätig ist.
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 15.04.2004; Aktenzeichen 12 O 527/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Bremen - 2. Kammer für Handelssachen - vom 15.4.2004 (Geschäfts-Nr.: 12 O 527/03) geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufgegeben, es zu unterlassen,
a) auf ihrem Kanzleischild in Bremen, 26/27, den Begriff "Fachanwälte" zu verwenden, solange am Standort der Beklagten in Bremen kein Fachanwalt tätig ist,
b) auf ihrem Geschäftspapier, in der Werbung oder in sonstigen für ihre Außenbeziehungen bestimmten Unterlagen oder Ankündigungen - schriftlich oder mündlich - zur Kennzeichnung ihrer Tätigkeitsbereiche als überörtlicher Sozietät den Begriff "Fachanwälte" zu verwenden, sofern nicht neben den Angaben zu den anderen Mitgliedern der Sozietät zugleich für jeden ihrer Fachanwälte das fachanwaltschaftliche Tätigkeitsgebiet und der zugehörige Standort ausgewiesen sind.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch überwiegend begründet.
Die Klägerin, die als Rechtsanwaltskammer gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der seit 8.7.2004 (BGBl. I, 1414) geltenden Neufassung für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche klagebefugt ist (BGH v. 2.4.1998 - I ZR 4/96, MDR 1998, 1186 = GRUR 1998, 835 [836] zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) hat gem. § 8 Abs. 1 UWG einen - eingeschränkten - Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte als überörtliche Sozietät von Rechtsanwälten, Fachanwälten und Notaren in Bremen, Bremen und Beverstedt wegen irreführender Verwendung des Begriffs "Fachanwälte".
Wie das LG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat (LG Bremen v. 15.4.2004 - 12 O 527/03, NJW 2004, 2027), ist allerdings bei der Beurteilung der Irreführungsgefahr nach § UWG a.F. (nunmehr nach § 5 Abs. 1i. V. mit § 3 UWG) der Verständnishorizont eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zugrunde zu legen, soweit es um anwaltliche Dienstleistungen zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten geht. Wer sich für eine anwaltliche Beratung interessiert, wird in aller Regel nicht nur die Kopf- oder Fußzeile eines Briefbogens oder einer Broschüre oder bloß die Startseite eines Internetauftritts zur Kenntnis nehmen, um auf dieser Basis ein Mandat zu erteilen oder eine Auskunft einzuholen. Er wird sich nicht auf die flüchtige Betrachtung beschränken, sondern jedenfalls mit normaler Aufmerksamkeit die Informationen über eine Anwaltskanzlei sammeln (BGH GRUR 2002, 81 [82]). Aus der Bezeichnung einer überörtlichen Sozietät als "Rechtsanwälte, Fachanwälte, Notare" oder bei Verwendung dieser Begriffe in anderer Reihenfolge wird er nicht, wie die Klägerin meint, den Schluss ziehen, dass ein Fachanwalt einen Zusatzberuf ausübt oder einen zusätzlichen Tätigkeitsbereich hat. Vielmehr wird er davon ausgehen, dass einige der Rechtsanwälte der Sozietät eine fachliche Spezialisierung für die jeweils angegebene Fachmaterie aufweisen. Es ist danach nicht irreführend und unzulässig, wenn überörtliche Sozietäten im Rechtsverkehr, insb. auf Briefbögen und Broschüren sowie bei Internetauftritten mit der Kopf- oder Fußzeile zusätzlich zu dem Begriff "Rechtsanwälte" auch den Begriff "Fachanwälte" verwenden.
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass für jedes einzelne Mitglied der Sozietät jeweils ausgewiesen ist, ob es zusätzlich Fachanwalt für ein bestimmtes Gebiet an einem der Sozietätsstandorte ist. Dabei ist es ohne Belang, ob an jedem Standort der Sozietät ein Fachanwalt tätig ist. Eine Sammelbezeichnung, die auch den Begriff "Fachanwälte" umfasst, ist erkennbar auf den sachlichen und räumlichen Synergieeffekt gerichtet, den eine ständige arbeitsteilige Koop...