Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarkeit der Altersgrenze für Notare mit dem Grundgesetz und Unionsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die gesetzliche Regelung, dass das Amt des Notars gemäß §§ 47 Nr. 2 Alt. 1, 48a BNotO mit dem Ende des Monats, in dem der Notar das 70. Lebensjahr vollendet, erlischt, ist sowohl mit dem Grundgesetz als auch mit dem Unionsrecht vereinbar.

 

Normenkette

BNotO § 47 Nr. 2 Alt. 1, § 48a

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat, trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

5. Der Verfahrenswert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der [...] 1951 geborene Kläger, der im Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Anwaltsnotar tätig war, wendet sich dagegen, dass nach § 47 Ziff. 2 Alt. 1 BNotO i.V.m. § 48a BNotO mit Ende des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet hat, also am [...] 2021, sein Amt des Notars erloschen ist.

Mit einem an die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen gerichteten Schreiben vom [...] 2021 beantragte der Kläger, ihm die Ausübung des Notaramtes über den [...] 2021 hinaus zu gestatten. Hilfsweise beantragte er, ihm die notarielle Tätigkeit bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres zu erlauben. § 48a BNotO, der eine Altershöchstgrenze für Notare von 70 Jahren vorsehe, sei verfassungswidrig, weil er gegen das Recht der Berufsausübung und als Altersdiskriminierung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Zwar habe die höchstrichterliche Rechtsprechung dies bislang anders gesehen. Die Situation habe sich aber geändert, weil es im Notarwesen inzwischen einen Bewerbermangel gebe, der dazu führe, dass freiwerdende Notarstellen in einer relevanten Anzahl von Fällen nicht besetzt werden könnten. Auch sei die Lebenserwartung allgemein gestiegen. Außerdem lasse ein Urteil des EuGH vom 30.06.2021 darauf schließen, dass die Anrufung des EuGH im Hinblick auf § 48a BNotO zu dem Ergebnis führen würde, dass dieser die deutsche Altershöchstgrenze für Notare zumindest in der jetzigen Form für europarechtswidrig halten würde.

Mit Bescheid vom 17.1.2022 lehnte die Senatorin für Justiz und Verfassung den Antrag mit der Begründung ab, dass eine rechtliche Grundlage für die begehrte Gestattung nicht bestehe. Bei Auslegung der Anträge des Klägers als Feststellungsanträge seien diese ebenfalls abzulehnen. Denn die Regelung in den Bestimmungen der §§ 47, 48a BNotO, wonach das Notaramt mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren erlösche, sei weiterhin wirksam, insbesondere mit dem Grundgesetz und dem Unionsrecht vereinbar. Es treffe - jedenfalls im Bezirk des Klägers - bereits nicht zu, dass ausgeschriebene Stellen nicht besetzt werden könnten. Dies könne allerdings letztlich offenbleiben, weil § 48a BNotO auch unter Zugrundelegung eines Mangels an potentiellen Bewerbern wirksam sei. Dass sich die Bewerberverhältnisse derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Altersgrenze der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, sei nicht ansatzweise ersichtlich. § 48a BNotO verstoße auch nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 03.06.2021 (NJW 2021, 2183 ff.). Jenes Urteil habe eine Altersgrenze von 50 Jahren für die Teilnahme an einem Auswahlverfahren zur Besetzung von 500 Notarstellen in Italien zum Gegenstand gehabt, also eine Eintrittsgrenze zum Notarberuf, die deswegen gegebenenfalls eine Altersdiskriminierung darstelle, weil möglicherweise Bewerber, die jünger als 50 Jahre alt waren, nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung gestanden hätten. Diese Entscheidung lasse sich auf die Höchstaltersgrenze des § 48a BNotO, der das Ziel einer ausgewogenen, zukunftsfähigen Altersstruktur im Notarberuf verfolge, nicht übertragen. Auch die vom Antragsteller geltend gemachte - die Anhebung der Altersgrenze rechtfertigende - erhöhte Lebenserwartung könne für den relevanten Zeitraum ab der im Jahre 1991 erfolgten Einführung der Höchstaltersgrenze nicht festgestellt werden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit seinem am 21.02.2022 beim erkennenden Gericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 111 Abs. 1 BNotO. Er ist der Ansicht, die Regelung nach § 47 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. 48a BNotO sei verfassungswidrig. Sie verstoße sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Das gesetzgeberische Ziel der Regelung, nämlich jüngere Notare in das Amt berufen zu können, sei nicht mehr aktuell, weil viele Notarstellen nicht besetzt werden könnten. Außerdem widerspreche die Vorschrift dem EU-Recht. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Erwägungen des EuGH in seinem Urteil vom 03.06.2021 auf die Höchstaltersgrenze des § 48a BNotO übertragbar.

Der Kläger be...

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