Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob § 128 Abs. 3 Satz 5 GWB im Verfahren vor der Vergabekammer im Falle einer übereinstimmenden Erledigungserklärung des Nachprüfungsantrags die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung hinsichtlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen eröffnet.
2. Antragsgegner in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, das eine Bundesauftragsangelegenheit i.S.v. Art. 85, 90 Abs. 2 GG zum Gegenstand hat, ist das Land, nicht der Bund.
Normenkette
GWB § 128 Abs. 3 S. 5, Abs. 4
Verfahrensgang
Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 22.03.2011; Aktenzeichen VgK-07/2011) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenbeschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 22.3.2011 - VgK-07/2011 - im Umfang seiner Anfechtung abgeändert.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen nicht zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 914 EUR.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin hat mit europaweiter Bekanntmachung vom 3.2.2011 ein Vergabeverfahren bezüglich der Grunderneuerung der BAB A 30 ausgeschrieben. In der Bekanntmachung ist als öffentlicher Auftraggeber die Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsstelle O. genannt worden. In der EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe ist auf S. 1 die Vorgenannte als Vergabestelle bezeichnet worden. Auf S. 2 der EU-Aufforderung heißt es:
"Sehr geehrte Damen und Herren!
1. Es ist beabsichtigt, die oben genannte Leistung im Namen und für Rechnung (Auftraggeber) B. (vertreten durch die NLStBV GB O.) zu vergeben.
2. ..."
Die Antragstellerin hat mit anwaltlichem Schreiben einzelne Aspekte der Ausschreibung gerügt. Unter dem 7.3.2011 hat sie ein Nachprüfungsverfahren gegen die Antragsgegnerin, die B. (vertreten durch die Nds. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Geschäftsstelle O.) eingeleitet. Mit Schriftsatz vom 15.3.2011 hat die Antragsgegnerin erklärt, dass die Ausschreibung aufgehoben werde. Zur Begründung hat sie angeführt, dass die der Ausschreibung zugrunde liegenden Baumaßnahmen aus Zeitgründen nicht durchführbar wären, wenn das Nachprüfungsverfahren durchgeführt werden würde. Die Verfahrensbeteiligten haben sodann den Nachprüfungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit dem angefochtenen Kostenbeschluss vom 22.3.2011 hat die Vergabekammer die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt und ausgesprochen, dass diese der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten habe. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin hat die Vergabekammer für notwendig erklärt. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der Nachprüfungsantrag nicht bereits wegen deren nicht bestehender Passivlegitimation als unbegründet zurückzuweisen gewesen wäre. Die Ausschreibung habe nämlich unklare bzw. widersprüchliche Angaben dazu enthalten, wer Auftraggeber sei. Dies gehe zu Lasten der Antragsgegnerin. Ferner hat die Vergabekammer (wörtlich) ausgeführt, dass im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung zur Vorgabe von Leitfabrikaten zudem einiges dafür spreche, dass der Antrag auch in der Sache erfolgreich gewesen wäre. Insbesondere habe die Antragsgegnerin vorliegend nicht in einer den Anforderungen des § 20 VOB/A genügenden Weise dokumentiert, warum sie aus ihrer Sicht vorliegend Leitfabrikate gem. § 7 Abs. 8 Satz 2 VOB/A vorgeben musste. Nach alledem sei es unbillig, der Antragstellerin die gem. § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB zu erhebenden Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer aufzuerlegen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, dass der Nachprüfungsantrag schon deshalb zurückzuweisen gewesen wäre, weil sie nicht passiv legitimiert sei.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss vom 22.3.2011 dahingehend zu ändern, dass die Beschwerdeführerin die Aufwendungen der Beschwerdegegnerin nicht zu tragen hat.
Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, § 116 Abs. 2 Satz 1 GWB. Dies gilt, obwohl sie sich isoliert nur gegen die Kostenentscheidung wendet und dort nur gegen den Ausspruch, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat. Die Kostengrundentscheidung oder ein Teil derselben kann gem. § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 22 Abs. 1 VwKostG angefochten werden (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 22.2.2010 - WVerg 001/10, zitiert nach juris, Tz. 11).
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin deren...