Leitsatz (amtlich)
1. Die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens erfolgt durch sachliche Erledigung, nicht durch Beschluss des Gerichts.
2. Es ist Sache des Beweisführers, nicht des Sachverständigen, die Voraussetzungen (Zustimmung) für eine etwa erforderliche Bauteilöffnung durch den Sachverständigen zu schaffen.
Normenkette
ZPO §§ 397, 411, 492, 404a, 407a
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 29.12.2008; Aktenzeichen 4 OH 15/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG - 4. Zivilkammer - vom 29.12.2008 aufgehoben. Das LG wird angewiesen, über den Antrag auf Ergänzung des Gutachtens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Die weiteren Anordnungen (einschließlich eines Kostenvorschusses für den Sachverständigen) werden dem LG übertragen.
Gründe
I. Das LG hat auf Antrag des Antragstellers bzw. (später) auch der Antragsgegner diverse Gutachten und Ergänzungsgutachten des Sachverständigen M.
zu verschiedenen Mängeln am Parkdeck II, Wohnpark am ... weg in S., eingeholt; zuletzt das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 1.10.2007 (Bd. IV, Bl. 799 ff.). Auf die Übersendung des Gutachtens hat der Antragsteller fristgerecht mit Schriftsatz vom 17.10.2007 sechs Ergänzungsfragen an den Sachverständigen gestellt. Das LG hat mit Beschluss vom 29.12.2008 das selbständige Beweisverfahren für beendet erklärt. Auf die ergänzenden Fragen sei nicht mehr einzugehen, weil ein rechtliches Interesse des Antragstellers nicht mehr erkennbar sei. Teilweise zielten Fragen auf Vermutungen des Sachverständigen (Frage 1, 2 und 6), Fragen 3 und 5 seien beantwortet, zu Frage 4 sei die Zustimmung verweigert gewesen.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Das LG hat zu Unrecht das selbständige Beweisverfahren für beendet erklärt.
Die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens erfolgt durch sachliche Erledigung, nicht durch Beschluss des Gerichts. Sachliche Erledigung tritt entweder durch den Abschluss eines Vergleichs oder Bekanntgabe des Beweisergebnisses ein. Bei Einholung eines schriftlichen Gutachtens geschieht dies durch Übersendung eines Abdrucks an die Beteiligten (BGH NJW 2002, 1640 = BGHZ 150, 55), sofern nicht von den Parteien die Ergänzung des Gutachtens oder die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung (§§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 3 ZPO) verlangt wird (Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 492 Rz. 3). Dabei muss in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs einem rechtzeitig gestellten Antrag einer Partei auf Ergänzung des Gutachtens oder Ladung des Sachverständigen zwecks Befragung grundsätzlich stattgegeben werden, auch wenn das Gericht die bisherige Begutachtung für ausreichend und überzeugend hält (BGH NJW-RR 2001, 1431; NZBau 2000, 249; NJW 1998, 162; OLG Hamm, BauR 2007, 1097, zitiert nach juris).
Gemessen an diesen Anforderungen ist das Beweisverfahren nicht beendet.
Der Antragsteller hat nach wie vor ein rechtliches Interesse daran, die mit Schriftsatz vom 17.10.2007 (Bl. 808 ff., ergänzt durch den Schriftsatz vom 17.3.2009, Bl. 824 ff.) gestellten Beweisfragen - in Ergänzung der bisherigen Gutachten - mit Hilfe des Sachverständigen beantwortet zu bekommen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff des rechtlichen Interesses i.S.d. § 485 ZPO weit zu fassen (BGH NJW 2004, 3488). Es ist auch nicht ersichtlich, warum sich aus dem vom LG herangezogenen Verfahrensablauf etwas anderes ergeben sollte. Das ist auch nicht ausgeführt.
Soweit es um die Ergänzungsfrage zu Ziff. 4 (Bl. 809) geht und damit in der Sache um die im Schriftsatz vom 15.8.2007 aufgeführten Ergänzungsfragen zu Ziff. 3 bis 6 (Bl. 704 f.), die in der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 1.10.2007 (Bl. 799, 804) nicht beantwortet werden konnten, befindet sich allerdings der Antragsteller im Irrtum. Der Sachverständige kann nach seinen Ausführungen (Bl. 804) diese Fragen bisher deshalb nicht beantworten, weil die Antragsgegner (bzw. der Verwalter) ihre Zustimmung zu weiterführenden Untersuchungen verweigerten.
Es ist grundsätzlich nicht Sache des Sachverständigen, eine Zustimmung zur Bauteilöffnung von dem Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentums herbeizuführen. Dies ist vielmehr Sache des Antragstellers, der mit dem Gutachten einen von ihm beantragten Beweis zu führen beabsichtigt (vgl. dazu Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rz. 90 f.; OLG Hamm IBR 2007, 160). Der Antragsteller hat deshalb zunächst selbst die Voraussetzungen für etwa erforderliche weitergehende Untersuchungen durch den Sachverständigen zu schaffen und - soweit dazu erforderlich - auch die Zustimmung des Verwalters einzuholen. Dazu mag sich der Antragsteller im weiteren Verfahren vor dem LG erklären.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich keine Kostenentscheidunge...