Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch eines nicht an dem Verfahren beteiligten Dritten ist kein Justizverwaltungsakt gem. § 23 EGGVG, sondern ein Akt der Rechtsprechung. Als eine das Einsichtsgesuch des Dritten abschließend bescheidende Endentscheidung i.S.d. § 58 Abs. 1 FamFG ist diese mit der Beschwerde anfechtbar (im Anschluss an KG FGPrax 2011, 157 = FamRZ 2011, 1415).
Normenkette
FamFG § 13 Abs. 2, § 58 Abs. 1; EGGVG § 23
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 31.08.2011; Aktenzeichen 608 F 6830/09) |
Tenor
Das als Beschwerde gegen die Entscheidung des AG - Familiengericht - Hannover vom 31.8.2011 auszulegende Rechtsmittel der Kindesmutter vom 12.9.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Kindesmutter.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf die Gebührenstufe bis 300 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des am ... 2006 geborenen Kindes E. P. Mit Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 8.11.2007 (608 F 5472/07 SO) wurde der Kindesmutter die elterliche Sorge für E. vorläufig entzogen und auf das Jugendamt der Landeshauptstadt Hannover als Vormund übertragen. Inzwischen lebt das Kind in einer Pflegefamilie, persönlicher Umgang mit der Kindesmutter findet regelmäßig einmal monatlich in begleiteter Form statt. Der Aufenthaltsort des Kindes ist der Kindesmutter nicht bekannt.
Mit Schriftsatz ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 31.5.2011 begehrte die Kindesmutter Einsichtnahme in die vorliegende Vormundschaftsakte. Dies wurde ihr durch die Rechtspflegerin des AG nach Anhörung des Vormundes zunächst gänzlich verweigert. Dieser hatte sich gegen eine Versendung der Akte ausgesprochen und eingewandt, die Kindesmutter solle die Anschrift der Pflegeeltern nicht erfahren. Dagegen legte die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 1.8.2011 "Beschwerde" ein, die sie damit begründete, da der ohnehin stattfindende begleitete Umgang dem Kindeswohl nicht schade, bestehe auch kein Anlass zu der Annahme, dass die begehrte Akteneinsicht dem Kind schaden könne. Die Rechtspflegerin gewährte daraufhin Einsichtnahme in die Vormundschaftsakte mit Ausnahme der Blätter 7 und 11, deren Originale zum Schutz des Kindes entnommen und durch [teils geschwärzte] Kopien ersetzt worden seien. Daraufhin erklärte die Kindesmutter unmittelbar nach Erhalt der Akte, ihre Beschwerde bleibe, soweit Akteneinsicht nicht gewährt wurde, aufrechterhalten. Es sei nicht Aufgabe des Jugendamtes, über Akteneinsichtsgesuche zu entscheiden. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akte. Dass das Jugendamt diese nicht für sinnvoll halte, weil sie nicht erfahren solle, wo sich das Kind aufhält, stehe ihrem Gesuch nicht entgegen, eine Beeinträchtigung des Kindeswohls sei durch das Jugendamt nicht behauptet worden.
Mit Beschluss vom 31.8.2011 wies die zuständige Familienrichterin des AG das als Erinnerung gegen die teilweise Nichtgewährung der Akteneinsicht ausgelegte Rechtsmittel vom 1.8.2011 zurück, wozu sie ausführte, die Erinnerung sei unbegründet, denn das Interesse an der Geheimhaltung der Wohnanschrift der Pflegeeltern und des Kindes sei höher zu bewerten als das Interesse der Kindesmutter an vollständiger Akteneinsicht.
Gegen diese ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 7.9.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 12.9.2011 erhobene, am 13.9.2011 beim AG eingegangene "Gegenvorstellung" der Kindesmutter. Sie macht nunmehr geltend, die Versagung der Akteneinsicht sei mit der Beschwerde nach § 58 FamFG anfechtbar. Zu dem von der Rechtspflegerin als Begründung angeführten Schutz des Kindes sei nicht diese, sondern allein der Richter befugt.
Die Richterin des AG Hannover hat daraufhin mit Beschluss vom 3.11.2011 die Gegenvorstellung zurückgewiesen und der "Beschwerde vom 1.8.2011/12.9.2011" nicht abgeholfen. Sie hat ausgeführt, der Richtervorbehalt des § 14 RPflG greife hier nicht ein, gem. § 3 Nr. 2a RPflG obliege die Überwachung des Vormundes dem Rechtspfleger, der daher gem. § 4 RPflG auch über Akteneinsichtsgesuche in den ihm übertragenen Geschäften zu entscheiden habe. Die gegen die teilweise Versagung eingelegte Beschwerde sei unzulässig, weshalb der Rechtsbehelf in eine zulässige Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG umgedeutet worden sei. Über die nunmehr eingelegte Beschwerde nach § 58 FamFG habe das OLG zu entscheiden.
II. 1. Das als "Gegenvorstellung" bezeichnete Rechtsmittel der Kindesmutter vom 12.9.2011 ist als Beschwerde gegen die richterliche Entscheidung des AG - Familiengericht - Hannover vom 31.8.2011 auszulegen und als solche nach §§ 58, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG zulässig.
a. Mit ihrer vorgenannten Entscheidung hat die Familienrichterin über den von ihr zu Recht als allein gem. § 11 Abs. 2 RPflG zulässige Erinnerung gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin, die Akteneinsicht zu beschränken, behandelten Rechtsbehelf entschieden. Das Vormundschaftsverfahren als solches ist als auf die gesamte Dauer der Vormundsc...