Leitsatz (amtlich)

1. Gläubiger, die im Fall der Verfahrenseröffnung Insolvenzgläubiger gewesen wären, haben auch im Fall der Abweisung des Eröffnungsantrags mangels einer die Kosten deckenden Masse oder der Einstellung des Verfahrens mangels Masse das Recht, entspr. § 299 Abs. 2 ZPO Einsicht in die Verfahrensakten zu nehmen.

2. Auch im Fall der Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO kommt nicht ausschließlich die Gewährung von Einsicht auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts in Betracht, die Einsicht kann vielmehr auch durch Übersendung von Abschriften, Fotokopien usw., oder durch Übersendung der Akten gewährt werden.

3. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Akteneinsicht.

 

Verfahrensgang

AG Hameln (Beschluss vom 04.08.2003; Aktenzeichen 36 IN 39/03)

 

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschluss des AG Hameln vom 4.8.2003 ist zulässig; der Beschluss des AG Hameln vom 4.8.2003 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, Gläubigerin der …Baugesellschaft mbH zu sein, gegen die am 12.3.2003 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch das Finanzamt …gestellt worden ist. In dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Baugesellschaft hat das Insolvenzgericht u.a. ein Sachverständigengutachten zur Klärung der Frage, ob eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist, in Auftrag gegeben. Nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige am 4.7.2003 dem Insolvenzgericht sein Gutachten übersandt hatte, hat das Gericht mit Beschluss vom 11.7.2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt.

Auf den Antrag der Gläubigerin vom 23.6.2003, ihr eine Kopie des Insolvenzantrages sowie eine Kopie des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters zu übersenden, hat das Insolvenzgericht der Gläubigerin mit Verfügung vom 11.7.2003, mit der es den Abweisungsbeschluss an die Beteiligten übersandt hat, mitgeteilt, die Akten des Insolvenzverfahrens könnten gem. § 299 Abs. 2 ZPO auf der Geschäftsstelle eingesehen werden. Hierauf hat die Gläubigerin mit Schreiben vom 30.7.2003 erneut den Antrag gestellt, ihr Kopien des Insolvenzantrags und des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters zu übersenden. Diesen Antrag hat das Insolvenzgericht am 4.8.2003 mit der Begründung zurückgewiesen, gem. § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO dürften Abschriften nur den Beteiligten erteilt werden. Diese Stellung habe die Gläubigerin nicht, weil der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 11.7.2003 abgewiesen worden sei. Die Gläubigerin sei vielmehr „Dritte” i.S. des § 299 Abs. 2 ZPO. Ihr könne zwar das rechtliche Interesse an der Einsicht in die Insolvenzakten nicht abgesprochen werden, gleichwohl sei ihr nur die Möglichkeit eröffnet, die Akten auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts einzusehen. Diese Möglichkeit der Akteneinsicht habe ihr das Gericht auch angeboten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der am 19.8.2003 eingegangene Antrag der Gläubigerin auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 Abs. 1 EGGVG. Die Gläubigerin macht geltend, der Beschluss des AG sei rechtsfehlerhaft, weil ihr ein Anspruch auf Erteilung von Ablichtungen gegen Kostenerstattung zustehe. Auch wenn sie nicht formal Verfahrensbeteiligte sei, könne der Umfang und die Art und Weise des Akteneinsichtsrechts nicht davon abhängen, ob das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei oder nicht. Für das Recht, Einblick in die Insolvenzakte zu nehmen, reiche es aus, dass der Antragsteller glaubhaft mache, bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgläubiger gewesen zu sein. Im Hinblick auf den daraus folgenden Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht sei eine Differenzierung bei der Frage, ob der Gläubiger Beteiligter i.S. des § 299 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO sei, für den Anspruch auf Erteilung von Ablichtungen aus der Insolvenzakte willkürlich.

Für die Antragstellerin – so führt die Gläubigerin in einem Schriftsatz vom 2.9.2003 Einsicht in die Insolvenzakten auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zu nehmen, weil dies eine erhebliche Kostenbelastung darstelle, die in keinem Verhältnis zu dem Nutzen einer Akteneinsicht stehe. Die Übersendung von Ablichtungen durch das Insolvenzgericht stelle die für alle Beteiligten effektivste, zeitsparendste und kostengünstigste Methode dar, um dem Anspruch der Gläubigerin auf Akteneinsicht zu genügen. Alternativ, komme allenfalls noch die Einsicht in die Insolvenzakten vor Ort in Betracht. Diese Form der Akteneinsicht stelle jedoch eine erhebliche Belastung für die Mitarbeiter des Insolvenzgerichts vor Ort dar, weil sie dazu führe, dass sowohl ein Mitarbeiter der Gläubigerin, der das Insolvenzgericht aufsuchen müsse, als auch ein Geschäftsstellenbeamter des Insolvenzgerichts, der die Akten heraussuche und ggf. nach Anweisung bestimmte Seiten kopieren müsse, mit der Akteneinsicht belastet werde. All diese werde v...

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