Leitsatz (amtlich)

1. Die Staatskasse kann auch in Ansehung der Regelungen in § 127 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO ihre Beschwerde darauf stützen, dass die Prozesskostenhilfe begehrende Partei vom Gericht zu Unrecht nicht auf die Möglichkeit verwiesen worden ist, vorrangig Ansprüche gegen ihren Ehepartner auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses geltend zu machen.

2. Es liegt eine "persönliche Angelegenheit" i.S.v. § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB vor, wenn eine bedürftige Partei gemeinsam mit ihrem Ehepartner klageweise Schadensersatzansprüche wegen angeblicher arglistiger Täuschung aus Anlass eines Grundstückskaufvertrags geltend macht, den die bedürftige Partei gemeinsam mit ihrem Ehepartner geschlossen hat und die bedürftige Partei überdies das streitgegenständliche Grundstück gemeinsam mit ihrem Ehepartner bewohnt.

 

Normenkette

ZPO § 127 Abs. 3 S. 1, § 127 S. 2; BGB § 1360a Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 03.11.2014; Aktenzeichen 2 O 160/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Lüneburg vom 3.11.2014 wird der genannte Beschluss aufgehoben.

Der Antrag der Klägerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Klägerin zu 1 hat Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Kläger zu 2, erhoben hat. Mit dieser Klage machen die Kläger als Gesamtgläubiger von den Beklagten Schadensersatz i.H.v. rund 216.000 EUR geltend. Dem liegt zugrunde, dass die Kläger von den Beklagten mit notariellem Kaufvertrag ein bebautes Grundstück erworben haben. Die Kläger bewohnen dieses Grundstück. Die Kläger machen nunmehr geltend, dass die Kaufsache mangelbehaftet sei und sie diesbezüglich von den Beklagten arglistig getäuscht worden seien.

Das LG hat der Klägerin zu 1 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe "in Höhe des Mehr an Rechtsanwaltskosten" bewilligt, "das durch die gemeinsame (mit ihrem Ehemann) Beauftragung des Rechtsanwalts ... entsteht". Den weiter gehenden Antrag hat das LG mit der Begründung zurückgewiesen, dass die weiteren Prozesskosten des Verfahrens durch die Rechtsschutzversicherung des Ehemannes der Klägerin zu 1, dem Kläger zu 2, gedeckt seien. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatskasse, mit der diese geltend macht, dass die Klägerin zu 1 gem. § 1360a BGB auf einen Prozesskostenvorschuss gegen ihren Ehemann zu verweisen sei, der über ein monatliches Nettoeinkommen i. H. v ... verfügt. Der sofortigen Beschwerde hat das LG Lüneburg mit der Begründung nicht abgeholfen, dass es sich bei dem Rechtsstreit nicht um eine persönliche Angelegenheit i.S.d. § 1360a Abs. 4 BGB handele. Auch die selbst bewohnte Immobilie sei letztlich nur eine Kapitalanlage, die kein höchstpersönliches Recht der Klägerin zu 1 betreffe.

II. Die nach §§ 127 Abs. 3 Satz 1 und 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Staatskasse hat Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht nicht, weil sie sich gem. § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB darauf verweisen lassen muss, sich von ihrem Ehemann, dem Kläger zu 2, die anfallenden Kosten für den Rechtsstreit vorschießen zu lassen.

1. Die Staatskasse kann ihre Beschwerde darauf stützen, dass die Klägerin zu 1 zu Unrecht nicht auf die Möglichkeit verwiesen worden ist, Ansprüche gegen ihren Ehemann, den Kläger zu 2, auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses vorrangig geltend zu machen. Die Formulierung des Gesetzes in § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO, wonach die Beschwerde der Staatskasse nur darauf gestützt werden kann, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat, umfasst auch die Fallkonstellation, dass bei einer PKH-Bewilligung zum "Nulltarif" mit der Beschwerde geltend gemacht wird, dass die Partei zu Unrecht nicht auf einen Prozesskostenvorschussanspruch verwiesen worden ist (vgl. z.B. OLG München, Beschl. v. 23.10.1992 - 26 WF 605/91, juris Rz. 3, 4; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 127 Rz. 16a; Musielak/Fischer, ZPO, 11. Aufl., § 127 Rz. 9).

2. Zu Recht macht die Staatskasse mit ihrer Beschwerde geltend, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB gegeben sind.

a) Der Rechtsstreit, für den die Klägerin zu 1 Prozesskostenhilfe begehrt, betrifft eine persönliche Angelegenheit i.S.v. § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB.

aa) Für die Auslegung des Begriffs "persönliche Angelegenheit" ist die Unterscheidung zwischen vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen nicht maßgeblich. Neben den die Person berührenden nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten können auch auf vermögensrechtliche Leistungen gerichtete Ansprüche zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten gehören, insbesondere dann, wenn sie ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben, die auch die wirtschaftliche Existenz der ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge