Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrechtsverletzung im Internet: Schadensschätzung bei Filesharing von Computerspielen anhand der Faktorrechtsprechung; Vereinbarkeit der Abmahnkostenregelung mit Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2004/48/EG)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die sog. "Faktorrechtsprechung" des Bundesgerichtshofs zu Rechtsverletzungen durch Filesharing von Musikstücken (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14) ist auf Computerspiele übertragbar (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. April 2019 - 13 W 7/19).

2. Es genügt für die Erfüllung des Ausnahmetatbestandes des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG nicht, dass der private Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Werk über das Internet zugänglich mache. Vielmehr bedarf es einer besonderen Häufigkeit oder eines qualifizierten Verstoßes, welcher die Berechnung des Erstattungsanspruchs nach einem höheren Gegenstandswert rechtfertigt. Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus Art. 14 der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2004/48/EG) (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. April 2019 - 13 W 7/19). Mit dieser Vorschrift ist § 97a Abs. 3 UrhG vereinbar.

 

Normenkette

EGRL 48/2004 Art. 14; UrhG § 97 Abs. 2 S. 3, § 97a; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 13 O 42/19)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Mai 2019 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und ggf. Rücknahme ihrer Berufung aus Kostengründen binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.509,60 EUR (= 860,60 EUR + 2.649,00 EUR) festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch wegen des Filesharings des im August 2013 erstveröffentlichten Computerspiels "S. R. IV" über den Internetanschluss des Beklagten an vier Zeitpunkten am 5. und 6. Oktober 2013.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts (Bl. 288 ff. d.A.) Bezug genommen, mit dem die Kammer der auf Zahlung von 984,60 EUR Abmahnkosten und 4.599,00 EUR Schadensersatz gerichteten Klage teilweise stattgegeben hat, nämlich in Höhe von 124,00 EUR Abmahnkosten und 1.950,00 EUR Schadensersatz. Zur Begründung hat die Kammer - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - ausgeführt, sie schätze die Höhe des Schadensersatzes für die Urheberrechtsverletzung nach § 287 ZPO unter Anwendung der Faktorrechtsprechung auf 1.950,00 EUR, nämlich auf das 50-fache des regulären Verkaufspreises von 39,00 EUR. Die erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung seien nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG auf Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR zu beschränken. Eine Ausnahme von der Deckelung nach Satz 4 der vorgenannten Vorschrift liege nicht vor.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre weitergehenden Zahlungsanträge weiterverfolgt und ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Klägerin meint insbesondere weiterhin, § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG sei vorliegend nicht anwendbar. Die Deckelung des Ersatzanspruchs sei entweder vollständig europarechtswidrig oder jedenfalls die sogenannte Öffnungs- bzw. Billigkeitsklausel des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass eine Deckelung im konkreten Fall unbillig wäre und ausscheide. Bei der Bemessung des Schadensersatzes sei ein Faktor von 100 (statt 50) angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 360 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben [gemeint ist: abzuändern], als die Klage der Abweisung unterlag und es insgesamt wie folgt neu zu fassen:

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Hannover vom 23. März 2018 (523 C 8726/17) wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt,

a) an die Klägerin einen Betrag von 984,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2014 zu zahlen;

b) an die Klägerin einen weiteren Betrag von 4.599,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Hinweis auf die sog. Faktorrechtsprechung des Senats.

II. Der Rechtsache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht tei...

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