Leitsatz (amtlich)
1. Keine Zulässigkeitsvoraussetzung des selbständigen Beweisverfahrens ist die Erfolgsaussicht der möglichen Hauptsache.
2. Das rechtliche Interesse an der Beweiserhebung darf nicht mit der Begründung verneint werden, der mögliche Hauptsacheanspruch sei verjährt.
Normenkette
ZPO § 485 ff.
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 4 OH 10/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Hannover vom 16.12.2002 aufgehoben. Dem LG wird die erforderliche Beweisanordnung übertragen.
Gründe
Die Antragsteller haben am 14.6.1996 mit notariellem Vertrag von der Antragstellerin ein Baugrundstück erworben. In dem notariellem Vertrag verpflichtete sich die Antragsgegnerin darüber hinaus, auf diesem Baugrundstück ein Wohnhaus zu errichten. Der Kaufpreis belief sich auf insgesamt 793.625 DM. Das Grundstück liegt in einem Gebiet mit hohem Grundwasserspiegel. Aus diesem Grund wurde für den Keller eine wasserdichte Stahlbetonwanne vereinbart.
Die Antragsteller haben behauptet, dass der Keller schwere Mängel aufweise. Es komme zu gravierenden Feuchtigkeitsschäden. Sie begehren deshalb die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung der Mängel, zur Ursachenergründung sowie zu Art und Kosten der Mängelbeseitigung.
Die Antragsgegnerin hat die Einrede der Verjährung erhoben und gemeint, dass für das Bauvorhaben die 2-jährige Verjährungsfrist der VOB/B gelte.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen, weil ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung dann nicht bestehe, wenn die Ansprüche der Antragsteller ersichtlich verjährt seien. Aus dem überreichten Bauvertrag ergebe sich, dass die Beteiligten die Geltung der VOB Teil B vereinbart hätten. Es gelte deshalb die Verjährungsfrist von 2 Jahren für die Gewährleistungsansprüche der Antragsteller. Diese Verjährungsfrist sei abgelaufen. Die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens würde mithin zu Feststellungen führen, die in einem folgenden Hauptsacheprozess Ansprüche wirksam nicht begründen könnten.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie weiterhin die Ansicht vertreten, dass die Gewährleistungsansprüche nicht verjährt seien.
Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch i.Ü. zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller ist begründet.
Nach § 485 Abs. 2 ZPO können die Antragsteller die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran haben, dass der Zustand des von der Antragsgegnerin hergestellten Kellers, die Ursachen für Mängel und der Aufwand für die Beseitigung der Mängel festgestellt werden soll. Ein rechtliches Interesse ist nach § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist dabei weit auszulegen (vgl. OLG Celle v. 14.2.1992 – 16 W 5/92, BauR 1992, 405 [406]). Kommen materiellrechtliche Ansprüche der Antragsteller wie hier Gewährleistungsansprüche in Betracht, ist das Feststellungsinteresse auch dann zu bejahen, wenn der Antragsgegner vorprozessual schon jede Vergleichsbereitschaft hat vermissen lassen und sich auf Verjährung beruft. Ob die Gewährleistungsansprüche der Antragsteller verjährt und damit möglicherweise nicht mehr durchsetzbar sind, kann im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens dahinstehen, denn das rechtliche Interesse des § 485 Abs. 2 ZPO setzt nicht voraus, dass das Beweisthema in einem späteren Prozess erheblich sein muss. Die Erfolgsaussichten eines späteren Hauptprozesses sind nicht zu prüfen. Bereits aus § 487 ZPO ergibt sich, dass der Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens lediglich die Angabe des Gegners, die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweiserhoben werden soll, die Benennung der Beweismittel und die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen, enthalten muss. Die Prüfung der Erfolgsaussicht des Hauptprozesses macht demgegenüber die dezidierte Darlegung des Streitverhältnisses erforderlich. Dieses zu klären, wozu auch die Prüfung der materiell-rechtlichen Wirkungen der Verjährungseinrede gehört, ist grundsätzlich Aufgabe des Hauptsacheverfahrens selbst (OLG Düsseldorf v. 13.10.2000 – 21 W 43/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 25 = MDR 2001, 50).
Ein rechtliches Interesse kann daher nur zu verneinen sein, wenn es an jeglichem rechtlichen Bezug zur Antragsgegnerin fehlte. Das wäre der Fall, wenn die nachgesuchte Beweiserhebung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einem Rechtsstreit zugeordnet werden kann (vgl. KG BauR 1992, 303 [304]; OLG Celle BauR 2000, 601; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 485 Rz. 7a m.w.N.).
Würde man für das Beweisverfahren eine rechtliche Begründung der verfolgten Ansprüche und die Klärung der Frage d...