Leitsatz (amtlich)
1. Auch dem gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre steht im Spruchkammerverfahren ein eigenes Beschwerderecht zu.
2. Bei der Unternehmensbewertung ist für die Prognose künftiger Entwicklungen eine Vergangenheitsanalyse anzustellen, um die in der Vergangenheit wirksamen Erfolgsursachen - auf denen die Prognose maßgeblich beruht - erkennbar zu machen.
3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige seiner Unternehmensbewertung eine Ertragsprognose zugrundegelegt hat, die ggü. der Planrechnung der Gesellschaft nach unten korrigiert ist.
4. Da das Spruchstellenverfahren dem Ziel dient, den wahren Unternehmenswert zu ermitteln, um einen gerechten Ausgleich für die weichenden Aktionäre festsetzen zu können, spricht vieles dafür, auf die neueste Bewertungsmethode abzustellen, weil diese am ehesten geeignet scheint, das mit dem Spruchstellenverfahren verfolgte Ziel zu erreichen.
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 06.04.2006; Aktenzeichen 26 AktE 2064/01) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre und der Antragsteller zu 2 bis 4 sowie die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zu 8 gegen den Beschluss der 6. Kammer für Handelssachen des LG Hannover vom 6.4.2006 werden zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss der 6. Kammer für Handelssachen des LG Hannover vom 6.4.2006 teilweise geändert.
Die Anträge der Antragsteller werden zurückgewiesen.
Zur Klarstellung wird festgestellt, dass
- das aufgrund der Hauptversammlung vom 1.12.2000 bezüglich des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages zwischen der P AG, L, als herrschendem und der H. M AG, H, als abhängigem Unternehmen angebotene Angebot der Barabfindung von 1.250 EUR je Aktie angemessen ist,
und
- der im Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen der P AG, L, als herrschendem und der H. AG, H, als abhängigem Unternehmen festgelegte Ausgleich von 63,30 EUR je Aktie für das Geschäftsjahr 2000/2001 und von 90,42 EUR je Aktie für jedes weitere Geschäftsjahr angemessen ist.
Die Kosten der ersten Instanz tragen die Antragsgegnerinnen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten tragen die Antragsteller zu 2 bis 4 und die Antragstellerin zu 8 zu je ¼.
Die Kosten des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre werden den Antragsgegnerinnen auferlegt. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Der Beschwerdewert für die Gerichtskosten und für die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Der Beschwerdewert für die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 2 bis 4 beträgt 15.000 EUR, für die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 8 beträgt er 5.000 EUR und für die außergerichtlichen Kosten des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre 180.000 EUR.
Gründe
I. Zulässigkeit:
Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 2 bis 4, der Antragstellerin zu 8, der Antragsgegnerinnen und des Vertreters der außenstehenden Aktionäre sind zulässig.
1. Dies gilt zunächst ohne weiteres für die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerinnen, §§ 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG i.V.m. § 12 Abs. 1 SpruchG. Soweit diese den Vorbehalt der Rücknahme enthalten, ist dies unschädlich, weil hierin nicht etwa eine - unzulässige - bedingte Beschwerdeeinlegung zu sehen ist.
2. Auch die sofortige Beschwerde der Antragsteller zu 2 bis 4 ist zulässig, obwohl diese im Beschwerdeverfahren keine eigenständige Beschwerdebegründung eingereicht haben. Insoweit reicht jedoch die Bezugnahme auf die Beschwerdebegründung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre - verbunden mit der Maßgabe, dass der dortige Vortrag als eigener gelten solle - aus, weil § 4 Abs. 2 SpruchG nur Anforderungen für den Inhalt einer Antragsbegründung enthält, eine vergleichbare Regelung für das Beschwerdeverfahren aber fehlt.
3. Der Senat hält auch die sofortige Beschwerde des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre für zulässig.
Die insoweit früher vertretene Gegenansicht (OLG Celle AG 1979, 230 f.) zur damals geltenden Rechtslage scheint dem Senat heute nicht mehr mit der - mit seither erfolgten Rechtsänderungen verbundenen - gestärkten Stellung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre vereinbar. Die auch jetzt noch geäußerte Gegenmeinung (vgl. hierzu die Nachweise bei Hüffer, AktG, 6. Aufl., Anh. zu § 305, § 12 SpruchG, Rz. 3), die sich auf den Wortlaut des § 6 Abs. 3 SpruchG beruft, überzeugt nicht. Danach soll dem gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre nur dann ein eigenständiges Beschwerderecht zustehen, wenn der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen hat, weil (nur) dann der gemeinsame Vertreter einem Antragsteller gleichstehe (§ 6 Abs. 3 Satz 2 SpruchG). Dieses Verständnis des § 6 SpruchG, der im Wesentlichen die Regelungen aus § 306 Abs. 4 AktG und § 308 UmwG übernommen hat, hält der Senat mit der Stellung des gemeinsamen Vertreters im Spruchverfahren f...